Evil
daran festgeklammert hatten, verbrannten und fielen nach unten.
»Meine Scheiße!« Woofer konnte sich nicht mehr halten.
Ruth schaute ihn an.
»Entschuldigung.« Er hatte die Augen weit aufgerissen.
Aber es war wirklich unglaublich. So ein Gemetzel hatte ich noch nie gesehen. Die Ameisen auf der Eingangstreppe waren nichts dagegen. Ameisen waren winzig, kaum zu sehen. Wenn man ihnen das kochende Wasser drüberschüttete, rollten sie sich einfach zusammen und starben. Aber die hier waren zum Teil über zwei Zentimeter lang. Sie zuckten und wanden sich, als würden sie ums Überleben kämpfen. Ich schaute auf den Boden. Überall Würmer. Die meisten waren tot, aber viele lebten noch und versuchten wegzukriechen.
»Was ist mit denen hier?«, fragte ich Ruth.
»Die könnt ihr liegen lassen. Die sterben einfach oder werden von den Vögeln gefressen.« Sie lachte. »Wir haben den Ofen aufgemacht, bevor sie fertig waren. Noch nicht ganz durchgebacken.«
»Dafür sind sie jetzt durchgebacken«, meinte Willie.
»Wir können doch einen Stein holen«, schlug Woofer vor, »und sie zerquetschen.«
»Hör mir zu, wenn ich was sage. Lasst sie liegen.« Ruth griff wieder in ihre Tasche. »Hier.« Sie verteilte Streichhölzer.
»Und vergesst nicht: Ich möchte, dass der Garten noch steht, wenn ihr fertig seid. Und geht nicht in den Wald rein. Der Wald kommt alleine klar.«
Wir nahmen die Streichhölzer in Empfang. Nur Meg nicht.
»Ich will nicht«, sagte sie.
»Was?« Ruth hielt ihr das Heftchen hin.
»Ich … ich will nicht. Ich mache einfach die Wäsche fertig, okay? Das ist … irgendwie …«
Sie senkte den Blick auf die schwarzen, aufgerollten Würmer am Boden und auf die, die sich noch wanden. Ihr Gesicht war blass.
»Was? Widerlich? Ekelt es dich etwa, Schätzchen?«
»Nein, ich will bloß nicht …«
Ruth lachte. »Jetzt schlägt's dreizehn. Jetzt passt mal auf, Jungs.«
Sie lächelte zwar immer noch, doch ihr Gesicht war auf einmal ganz hart geworden. Das erschreckte mich und erinnerte mich an die Sache mit Susan von neulich. Anscheinend war sie schon den ganzen Vormittag schlecht auf Meg zu sprechen und hatte nur auf einen Vorwand gewartet, um zu explodieren. Und wir waren einfach zu beschäftigt gewesen, um etwas zu merken. Zu aufgeregt.
»Passt auf. Ihr kriegt jetzt eine Lektion in Sachen Weiblichkeit.« Ruth trat ganz nah vor Meg. »Meg ist zimperlich. Ihr wisst doch, dass Mädchen manchmal zimperlich sind, Jungs. Damen vor allem. Unsere Meg hier ist nämlich eine Dame. Und was für eine!«
Dann ließ sie den bissigen Spott, und man sah ihre nackte Wut.
»Und was bin dann ich, verdammt noch mal? Glaubst du vielleicht, ich bin keine Dame, Meggy? Meinst du, dass eine Dame nicht macht, was nötig ist? Dass sie nicht mal dieses stinkende Ungeziefer vernichten kann?«
Meg sah verwirrt aus. Kein Wunder, es kam ja auch alles so schnell.
»Nein, ich …«
»Das will ich auch hoffen, dass du das nicht meinst, Schätzchen! Solche versteckten Anspielungen muss ich mir nämlich nicht gefallen lassen, vor allem nicht von einer Göre, die sich nicht mal das Gesicht richtig abwischen kann. Kapiert?«
»Ja, Tante.«
Sie trat einen Schritt zurück.
Ruth schien sich wieder ein wenig zu beruhigen. Sie holte kurz Luft.
»Okay. Dann geh jetzt runter in den Keller und mach mit der Wäsche weiter. Und wenn du fertig bist, rufst du mich. Ich hab noch andere Sachen für dich zum Erledigen.«
»Ja, Tante.«
Sie wandte sich zum Gehen.
Ruth lächelte. »Meine Jungs schaffen das schon. Stimmt's, Jungs?«
Ich nickte. Ich brachte kein Wort heraus. Niemand sprach. Die Art, wie sie Meg abgefertigt hatte, war so durchdrungen von Autorität und unerbittlicher Gerechtigkeit, dass ich fast ein wenig Angst vor ihr bekam.
Sie tätschelte Woofer den Kopf.
Ich blickte kurz hinüber zu Meg. Mit gesenktem Kopf ging sie zurück zum Haus und wischte sich übers Gesicht, auf der Suche nach dem Schmutzfleck, auf den Ruth angespielt hatte.
Ruth legte mir den Arm um die Schultern und wandte sich den Ulmen im hinteren Teil des Gartens zu. Ich atmete ihren Geruch ein: Seife und Petroleum, Zigaretten und frisch gewaschenes Haar.
»Meine Jungs können das.« Ihre Stimme klang wieder ganz sanft.
11
Um eins hatten wir jedes Nest im Garten der Chandlers abgefackelt, und Ruth hatte Recht behalten: Für die Vögel wurde es ein Festessen.
Ich stank nach Petroleum.
Ich hatte einen Riesenkohldampf und wäre über Leichen gegangen für
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