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Evil

Evil

Titel: Evil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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verschieben. Das merkt Ruth gar nicht. Ich meine, schau sie dir doch an. Soll sie sich vielleicht die Schulter auskugeln oder was? Bis morgen früh ist es noch ziemlich lange.«
    Ich sprach relativ laut, damit sie mich hören konnte.
    Er zuckte die Achseln. »Wir haben ihr die Wahl gelassen. Sie wollte nicht.«
    »Ich weiß.« Jetzt lächelte ich und neigte mich flüsternd zu ihm. »Aber sie ist uns vielleicht dankbar, verstehst du? Vielleicht erinnert sie sich daran. Beim nächsten Mal.«
     
    Wir verschoben den Tisch.
    Eigentlich hoben und schoben wir ihn gleichzeitig, um möglichst wenig Lärm zu machen. Zu dritt und noch mit Woofer war es gar nicht so schwer. Als wir fertig waren, hatte sie ungefähr zwei Zentimeter Spiel, sodass sie die Ellbogen leicht beugen konnte. So viel Platz zum Bewegen hatte sie schon länger nicht mehr gehabt.
    »Bis bald«, flüsterte ich, als ich die Tür schloss.
    Im Dunkeln glaubte ich zu erkennen, dass sie nickte.
    Jetzt war ich ein Verschwörer. In zwei Richtungen. Auf beiden Seiten.
    Ich arbeitete von der Mitte aus für beide Seiten.
    Was für eine großartige Idee.
    Ich war stolz auf mich.
    Ich kam mir schlau und edel vor. Ich hatte ihr geholfen. Und dafür würde ich eines Tages eine Belohnung bekommen. Eines Tages, das wusste ich, würde sie mir erlauben, sie anzufassen. Irgendwann. Den anderen vielleicht nicht – aber mir.
    Bestimmt.
    Also verabschiedete ich mich mit einem geflüsterten »Bis bald, Meg«.
    Als müsste sie mir dankbar sein.
    Ich hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank.
     

30
    Als wir am Morgen runterkamen, hatte Ruth sie abgebunden und ihr frische Kleidung gebracht, zusammen mit einer Tasse heißem Tee und einer Scheibe weißem Toast ohne Butter. Sie hockte im Schneidersitz auf der Luftmatratze und aß und trank.
    Angezogen, befreit und ohne Knebel und Augenbinde hatte sie nicht mehr viel Geheimnisvolles an sich. Sie sah blass und abgekämpft aus. Müde und sichtlich mürrisch. Es war schwer, sich die stolze Meg oder die leidende Meg von gestern vorzustellen.
    Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie Probleme mit dem Schlucken hatte.
    Ruth stand vor ihr und spielte die fürsorgliche Mutter.
    »Iss deinen Toast.«
    Meg blickte zu ihr auf und dann nach unten auf den Pappteller auf ihrem Schoß.
    Oben war der Fernseher zu hören – irgendeine Spielshow. Willie verlagerte schlurfend sein Gewicht.
    Draußen regnete es, und auch das hörten wir.
    Sie nahm einen Bissen von der Kruste und kaute ewig daran herum. Es war bestimmt schon dünn wie Spucke, als sie endlich schluckte.
    Ruth seufzte. Anscheinend war es eine große Geduldsprobe für sie, Meg zuzuschauen. Sie legte die Hände auf die Hüften und stand breitbeinig da. Sie sah aus wie George Reeves im Vorspann von Superman.
    »Komm schon, iss weiter«
    Meg schüttelte den Kopf. »Es ist zu … ich kann nicht. Mein Mund ist so trocken. Kann ich nicht noch warten? Und ihn später essen? Ich trinke den Tee.«
    »Bei mir wird kein Essen verschwendet, Meg. Essen ist teuer. Diesen Toast habe ich extra für dich gemacht.«
    »Ich … ich weiß. Aber …«
    »Was soll ich jetzt damit machen? Ihn wegwerfen?«
    »Nein. Kannst du ihn nicht einfach hier lassen? Ich esse ihn später.«
    »Dann ist er hart. Du solltest ihn gleich essen. Solange er noch frisch ist. Außerdem lockt er Ungeziefer an, wenn er rumliegt. Kakerlaken. Ameisen. Ich will kein Ungeziefer in meinem Haus.«
    Was irgendwie seltsam war, weil in dem Raum schon zwei Fliegen herumsummten.
    »Ich esse ihn bald, Ruth. Das verspreche ich.«
    Ruth schien darüber nachzudenken. Sie stellte die Füße zusammen und verschränkte die Arme über der Brust.
    »Meg, Schätzchen, ich möchte, dass du ihn gleich isst. Das tut dir gut.«
    »Ich weiß. Aber jetzt fällt es mir noch schwer. Ich trinke den Tee, okay?«
    Sie hob die Tasse an die Lippen.
    »Es soll ja auch nicht leicht sein, niemand hat behauptet, dass es leicht ist.« Ruth lachte. »Du bist eine Frau, Meg. Das ist nicht leicht – es ist schwer.«
    Nickend blickte Meg auf und trank weiter aus der Tasse.
    Donny, Woofer, Willie und ich standen im Schlafanzug da und sahen von der Tür aus zu.
    Allmählich bekam ich selbst schon ein wenig Hunger. Doch weder Ruth noch Meg hatten unsere Anwesenheit zur Kenntnis genommen.
    Ruth beobachtete sie, und Meg behielt Ruth im Auge, während sie kleine, vorsichtige Schlucke machte, weil der Tee dampfend heiß war. Wir hörten den Wind und den Regen draußen, dann setzte eine

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