Evil
und Lösungsmittel. Zum Glück lehnte das meiste davon auf der einen Seite, gegenüber von der Wand. Mir war klar, dass die Stufen ganz dicht an der Wand den besten Halt hatten und dadurch am wenigsten knarrten. Wenn sie mich erwischten, dann hier, denn hier musste ich am meisten Krach machen. Vorsichtig stieg ich hinunter.
Auf jeder Stufe blieb ich stehen und lauschte. Zwischen den Schritten wartete ich unterschiedlich lang, um keinen Rhythmus entstehen zu lassen.
Doch jede Stufe gab einen Laut von sich.
Es dauerte ewig.
Dann war ich endlich unten. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass sie mich nicht gehört hatten.
Im Keller roch es feucht nach Schimmel und Wäsche – und nach etwas wie verschüttete, saure Milch.
So ruhig und gleichmäßig wie möglich schob ich den Bolzen zurück. Trotzdem klirrte Metall gegen Metall.
Dann machte ich die Tür auf und ging hinein.
Erst dann, glaube ich, fiel mir wieder ein, was ich hier überhaupt machte.
Meg saß in einer Ecke auf der Luftmatratze und wartete. In dem dünnen Lichtstrahl sah ich, wie viel Angst sie hatte. Und wie schlecht der Tag für sie gelaufen war.
Sie hatten ihr ein verknittertes Hemd zum Anziehen gegeben und sonst nichts. Ihre Beine waren nackt.
Willie hatte sie mit dem Messer bearbeitet.
Über ihre Schenkel und Waden bis fast hinab zu den Knöcheln liefen Linien und Kratzer im Zickzack.
Auf ihrem Hemd war Blut. Das meiste war eingetrocknet – aber nicht alles. An manchen Stellen sah man feuchte Flecken.
Sie stand auf.
Sie kam auf mich zu, und ich sah eine neue Prellung an ihrer Schläfe.
Trotzdem wirkte sie immer noch gefasst und bereit.
Sie wollte etwas sagen, doch ich legte den Finger an die Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Ich lasse den Bolzen und die Hintertür offen«, flüsterte ich.
»Sie werden meinen, sie haben es einfach vergessen. Gib mir ungefähr eine halbe Stunde. Bleib an der Wandseite, wenn du die Treppe raufgehst, und fang nicht an zu rennen. Donny ist schnell. Er würde dich erwischen. Hier.«
Ich zog das Geld aus der Hosentasche. Sie schaute es an, dann schüttelte sie den Kopf.
»Lieber nicht. Wenn etwas schief geht und sie es finden, dann wissen sie, dass jemand hier war. Und noch eine Chance kriegen wir nicht. Versteck es …« Sie überlegte kurz. »Versteck es am Felsen. Leg einen Stein drauf oder so. Ich finde es schon, keine Sorge.«
»Wo willst du hin?«
»Ich weiß nicht. Noch nicht. Vielleicht noch mal zu Mr. Jennings. Nicht zu weit weg auf jeden Fall. Ich will in der Nähe von Susan bleiben. Ich lass dir eine Nachricht zukommen, sobald ich kann.«
»Willst du die Taschenlampe?«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ich kenne die Treppe. Los, raus hier. Verschwinde.«
Ich wandte mich zum Gehen.
»David?«
Ich drehte mich wieder um, und plötzlich stand sie bei mir und streckte den Arm aus. Ich sah helle Tränen in ihren Augen, bevor sie sie schloss und mich küsste.
Ihre Lippen waren aufgerissen, gesprungen und zerschunden.
Sie waren das Zarteste und Schönste, das mich je berührt und das ich je berührt hatte.
Auch mir schossen die Tränen in die Augen.
»O Gott, Meg. Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid.«
Ich brachte die Worte kaum hervor. Ich konnte nur kopfschüttelnd dastehen und sie um Verzeihung bitten.
»David. Danke. Was man am Schluss macht – nur darauf kommt es an.«
Ich schaute sie an. Es war, als würde ich sie mit den Augen trinken, als würde ich mich irgendwie in sie verwandeln.
Ich wischte mir über die Augen und das Gesicht.
Mit einem Nicken drehte ich mich um.
Dann fiel mir etwas ein. »Warte.«
Ich trat aus dem Bunker und ließ den Lichtstrahl über die Wände gleiten. Dann fand ich, was ich gesucht hatte. Ich nahm das Montiereisen vom Nagel und gab es ihr.
»Für alle Fälle.«
Sie nickte.
»Viel Glück, Meg.« Leise schloss ich die Tür.
Dann war ich wieder mitten in der bedrückenden, kreischenden Stille des schlafenden Hauses, schlich mich langsam hinauf zur Tür und rechnete jeden Schritt auf das Ächzen der Betten und das Wispern der Äste.
Und dann war ich draußen.
Ich lief über den Garten zur Auffahrt und von dort aus zur Rückseite meines Hauses und in den Wald. Der Mond schien hell, aber ich kannte den Weg auch ohne Mond. Ich hörte das rauschende Wasser des Baches.
Am Ufer hob ich einige Steine auf und ließ mich vorsichtig hinunter. Das Wasser glitzerte im Mondlicht und brach sich an den Steinen.
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