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Evil

Evil

Titel: Evil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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einem Fenster entzweiging oder vom schlechten Wetter durchgerostet war, ließ man es oft einfach so. Man brauchte kein Schloss, um den Schnee auszusperren.
    Das Haus der Chandlers war da keine Ausnahme.
    An der Rückseite war eine Fliegentür mit einem Schloss, das wahrscheinlich noch nie funktioniert hatte – zumindest nicht seit Menschengedenken. Die Holztür war leicht verzogen, und die Verriegelung schnappte nicht mehr ein.
    Auch nach Beginn von Megs Gefangenschaft hatte sich keiner darum gekümmert, es zu reparieren.
    So blieb nur die metallene Fleischschranktür vor dem Bunker, die mit einem Bolzen verriegelt war. Ein ziemlich klobiges, lautes Teil, aber man musste nur den Bolzen zurückschieben.
    Ich hoffte, dass es klappen würde.
    Um drei Uhr fünfundzwanzig morgens machte ich mich auf den Weg.
    Ich hatte eine Stablampe, ein Taschenmesser und siebenunddreißig mit Schneeschippen verdiente Dollar eingesteckt. Ich hatte Turnschuhe, Jeans und das T-Shirt an, das mir meine Mutter schwarz gefärbt hatte, nachdem Elvis in Gold aus heißer Kehle so eins getragen hatte. Als ich die Auffahrt zum Garten der Chandlers überquerte, klebte das T-Shirt schon an meinem Rücken wie eine zweite Haut.
    Das Haus war dunkel.
    Ich trat auf die Veranda und wartete kurz, um zu horchen. Die Nacht lag still und hell unter einem Dreiviertelmond.
    Das Chandlerhaus schien mich anzuatmen und knackte wie die Knochen einer schlafenden alten Frau.
    Es war unheimlich.
    Einen Augenblick lang wollte ich das Ganze vergessen, nach Hause gehen, mich ins Bett legen und mir die Decke über den Kopf ziehen. Am liebsten wäre ich in einer ganz anderen Stadt gewesen. Den ganzen Abend hatte ich mir ausgemalt, wie meine Mutter oder mein Vater zu mir sagte: Also, David, ich weiß nicht, wie ich es dir beibringen soll, aber wir ziehen um.
    Doch so viel Glück hatte ich nicht.
    Immer wieder sah ich vor mir, wie sie mich auf der Treppe erwischten. Plötzlich würde das Licht angehen, und Ruth würde über mir stehen und mit einer Schrotflinte auf mich zielen. Wahrscheinlich hatten sie nicht mal ein Gewehr. Trotzdem spielte es sich in meinem Kopf so ab. Immer wieder wie eine Platte in der Auslaufrille.
    Du bist verrückt, dachte ich mir.
    Aber ich hatte es versprochen.
    Und so beklemmend es auch war, der Tag heute hatte mir noch mehr Angst eingejagt. Ruths Anblick hatte mir endlich gezeigt, wohin das Ganze steuerte. Klar und deutlich bis zum bitteren Ende. Bis zu Megs Tod.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so auf der Veranda wartete.
    Lang genug, um die sanfte Brise und das Scharren des Roseneibischstrauchs an der Mauer zu hören, um das Quaken der Frösche am Bach und das Zirpen der Grillen im Wald zu bemerken. Lang genug, dass sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten und mich das Gewöhnliche der nächtlichen Unterhaltung zwischen Fröschen und Grillen allmählich beruhigte. Und nach einer Weile spürte ich schließlich nicht mehr nackte Angst wie am Anfang, sondern Aufregung – Aufregung darüber, dass ich endlich etwas machte, etwas für Meg und mich, und etwas, was noch keiner von den Menschen, die ich kannte, getan hatte. Dieser Gedanke half mir. Und der Gedanke daran, dass ich es hier und jetzt wirklich tat. So konnte ich eine Art Spiel daraus machen. Ich brach nachts in ein Haus ein, dessen Bewohner schliefen. Das war alles. Keine gefährlichen Bewohner. Nicht Ruth, nicht die Chandlers. Einfach irgendwelche Leute. Ich war ein Einbrecher. Gelassen, umsichtig und verstohlen. Niemand würde mich erwischen. Weder heute Nacht noch sonst irgendwann.
    Ich öffnete die äußere Fliegentür.
    Sie gab nur ein leises Quietschen von sich.
    Die innere Tür war schwieriger. Ihr Holz war durch die Feuchtigkeit aufgequollen. Ich zog die Klinke nach unten und drückte die Finger gegen den Türpfosten, den Daumen gegen die Tür. Dann schob ich langsam, sachte.
    Sie ächzte.
    Ich schob fester und gleichmäßiger. Die Klinke fest in der Hand zog ich leicht nach hinten, damit sie beim Aufgehen nicht anstieß und in den Angeln erzitterte.
    Wieder ächzte sie.
    Bestimmt hatte es das ganze Haus mitbekommen. Alle.
    Ich konnte immer noch davonlaufen, wenn es sein musste. Das war gut zu wissen.
    Dann ging sie plötzlich auf. Mit noch weniger Lärm als die Fliegentür.
    Ich lauschte.
    Ich trat in den Flur.
    Ich schaltete die Stablampe ein. Die Treppe war vollgestellt mit Schrubbern, Bürsten, Lumpen und Eimern – Ruths Putzzeug – Gläsern mit Nägeln drin, Farbdosen

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