Evil
war sie es nicht mehr wert, sich anzustrengen.
Es hatte sich wirklich alles verändert.
Als hätten sie ihr mit dem Einstanzen der Buchstaben alles Aufregende genommen – jede Macht, bei anderen Furcht, Lust oder Hass auszulösen. Jetzt war sie nur noch ein Stück Fleisch. Schwach. Und irgendwie verächtlich.
Ruth schaute sie an wie eine Malerin, die ihr Werk betrachtet.
»Eins sollten wir noch machen.«
»Was?«, fragte Donny.
Ruth überlegte. »Also, jetzt haben wir sie so weit, dass kein Mann sie mehr will. Das Dumme ist nur, dass sie immer noch Männer will.« Sie schüttelte den Kopf. »Da wird ihr das Leben doch zur Qual.«
»Und?«
Sie dachte nach. Unsere Blicke hingen an ihr.
»Ich sag euch, was wir machen. Donny, geh mal rauf und hol ein paar Zeitungen von dem Stapel in der Küche runter. Einen guten Schwung. Die legst du in den Ausguss hier unten.«
»Wozu Zeitungen? Was sollen wir denn mit Zeitungen?«
»Wollen wir ihr was vorlesen?« Denise kicherte. Alle lachten.
»Mach, was ich dir sage.«
Er stieg hinauf und kam mit den Zeitungen zurück. Er warf sie in den Ausguss neben der Waschmaschine.
Ruth stand auf.
»Okay. Wer hat ein Streichholz? Meine sind alle.«
»Ich hab welche.« Eddie gab sie ihr.
Sie bückte sich und hob das Montiereisen auf, das ich Meg letzte Nacht gegeben hatte.
Ich fragte mich, ob sie es benutzt hatte.
»Hier, nimm das.« Sie reichte Eddie das Montiereisen. »Kommt mit.«
Sie stellten die Flaschen ab und gingen an mir vorbei. Alle waren gespannt, was Ruth vorhatte. Alle außer ich und Susan. Doch Susan saß nur auf dem Boden, so wie es ihr Ruth befohlen hatte, und ich hatte Willies Messer einen halben Meter vor der Brust.
Also ging ich auch.
»Rollt sie zusammen.«
Sie schauten sie an.
»Die Zeitungen. Rollt sie zusammen, ganz fest. Dann werft sie wieder in den Ausguss.«
Woofer, Eddie, Denise und Donny machten sich an die Arbeit. Ruth zündete sich mit Eddies Streichhölzern eine Zigarette an. Willie hielt sich hinter mir.
Ich warf einen kurzen Blick hinüber zur Treppe. Sie war verlockend nah.
Sie rollten die Zeitungen zusammen.
»Schön dicht nebeneinander«, sagte Ruth.
Sie stopften sie in das Becken.
»Also, ich erklär euch das jetzt. Eine Frau will einen Mann nicht mit ihrem ganzen Körper. Nein. Sie will ihn vor allem an einer Stelle. Weißt du, was ich meine, Denise? Nein? Noch nicht? Bald wirst du's wissen. Eine Frau will einen Mann an einer ganz bestimmten Stelle, und die ist genau hier zwischen ihren Beinen.«
Sie zeigte und drückte die Hand auf ihr Kleid, um es ihnen vorzuführen. Sie hörten auf zu rollen.
»Eine ganz kleine Stelle. Also, und wenn man ihr diese Stelle wegnimmt, wisst ihr, was dann passiert? Man nimmt ihr die ganze Lust weg.
Wirklich. Sie ist für immer weg. Das klappt. In manchen Gegenden machen sie das immer so, das ist das Normalste von der Welt. Ich glaube, wenn ein Mädchen ein bestimmtes Alter erreicht. Damit sie nicht herumstreunt. Was weiß ich, in Afrika und Arabien und Neuguinea, glaube ich. Für die dort gehört das zur Zivilisation.
Und da denke ich mir: Warum nicht auch bei uns? Wir nehmen ihr einfach diese kleine Stelle weg. Wir brennen sie ihr raus. Mit dem Eisen.
Und dann ist sie … vollkommen.«
Schweigend starrten alle Ruth an. Sie konnten nicht glauben, was sie gehört hatten.
Ich glaubte ihr.
Und auf einmal klärte sich das Gefühl, das ich schon seit Tagen mit mir herumtrug, ohne es zu begreifen.
Ich begann zu zittern wie in einem heftigen Dezemberwind. Weil ich es sehen konnte, ich roch es, ich hörte ihre Schreie. Mein Blick ging bis weit in Megs Zukunft, in meine Zukunft – ich sah die Konsequenzen einer solchen Tat.
Und ich wusste, dass ich damit allein war.
Die anderen – selbst Ruth mit ihrer Impulsivität, die sie zu einem Kerkermeister gemacht hatte, mit ihrem Einfallsreichtum, wenn es um das Zufügen von Schmerzen ging, mit ihrem Gerede über das, was gewesen wäre, wenn sie ihre Arbeit behalten und nicht Willie senior getroffen, wenn sie nie geheiratet und keine Kinder gehabt hätte –, die anderen hatten keine Phantasie.
Nicht die geringste. Sie hatten keine Ahnung.
Für alles außer sich selbst und den Augenblick waren sie blind, leer.
Diese Einsicht brachte mich zum Zittern.
Ich war der Gefangene von Wilden. Ich hatte mit ihnen gelebt, war einer von ihnen gewesen.
Nein, keine Wilden. Eigentlich nicht.
Schlimmer noch.
Mehr wie eine Horde streunender Hunde oder Katzen
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