Evolution der Leere: Roman
Zeug der einzige Nachweis dafür sein sollte, dass diese Welt einmal eine ganze Menschenzivilisation bevölkert hatte.
Wenn sie nicht aufpasste, konnte ihre Melancholie leicht zu Vereinsamung und Angstzuständen führen. Und von da aus war es nur noch ein kleiner Schritt hin zu wirklichem Grauen, der Art von Grauen, die sie wieder zurück zur Silverbird und in die Suspension flüchten lassen würde - gesetzt den Fall, dass die Medi-Kammer ordnungsgemäß funktionierte. Dass die Leere Technik unterband, schien bei dem kleinen Raumschiff, das in Golden Park stand, dazu zu führen, dass mehr und mehr Funktionen versagten. Sogar das Konfluenznest hatte seine launischen Tage. Sie war sich ziemlich sicher, dass die einzige Möglichkeit, jemals wieder in den Weltraum zurückzukommen, mittlerweile darin bestünde, die Leere auf eine Zeit vor ihrer Landung zu resetten.
Ein kurzes Stück, bevor die Zulmal Street sich auf die Promenade hin öffnete, blieb Justine stehen und betrachtete eines der Gebäude. Bei ihren täglichen Erkundungsmissionen war sie an ihm schon mindestens ein Dutzend Mal vorbeigekommen, doch noch nie hatte sie sich bewusst klargemacht, was für ein bedeutendes Bauwerk es war. Dies war die Bäckerei, in der Boyd von einer verwirrten, rachsüchtigen Mirayse umgebracht worden war. Justines Fernsicht streckte sich in den Laden aus, konnte jedoch in den vorderen Räumen nichts finden. Aber hinten konnte sie einen Haufen heruntergekommenes Metall ausmachen, der fraglos der alte Backofen war.
Edeard hatte natürlich Boyds Seele gesehen, die nach dessen Tod noch verweilt war. Sie hingegen konnte nichts dergleichen spüren, obwohl die vollständige Erinnerung daran sie jetzt frösteln ließ. Wie viel einfacher es doch gewesen war, aus dem Geistessanktuarium ANA heraus über die himmelschreiende Naivität der Living-Dream-Ikonen zu lachen und zu spotten, als nun tatsächlich mitten im Allerheiligsten der Bewegung zu stehen und dessen Wirklichkeit am eigenen Leibe zu erfahren.
Allein den aufklaffenden Türdurchgang zu dem uralten Laden anzusehen, ließ sie schlussendlich begreifen, wieso Inigo die Errichtung von Makkathran2 verfügt hatte. Es war der ultimative Akt von Anbetung und Verehrung gewesen. Diese außerirdische Stadt war die Verkörperung von Edeards Triumph; als Fremder aus der Provinz war er einst hierhergekommen und hatte ihren Bewohnern eine Hoffnung gegeben, von der sie nie gewusst hatten, dass sie ihnen verloren gegangen war, und hatte von da an Milliarden inspiriert, deren Existenz er nicht einmal ahnte. Und selbst, wenn sie all ihre hochmütige, rationale Geringschätzung zusammennahm, war diese phänomenale Leistung dadurch nicht einmal ansatzweise zu schmälern. Hier, im wortwörtlichen Sinne auf Edeards Spuren wandelnd, musste Justine erkennen, wie klein sie im Vergleich zu ihm war, in so vielerlei Hinsicht.
Als sie schließlich auf der Promenade ankam, hatte sich ihr Selbstwertgefühl wieder ein bisschen erholt, doch dieser kurze Moment der Selbstreflexion hatte ausgereicht, ihr nur noch bewusster zu machen, wie einsam sie seit ihrer Ankunft in der Leere wahrhaftig war.
Komm schon, Dad, wo bist du? Worauf immer du wartest, es sollte doch jetzt so langsam mal passieren, oder?
Bis jetzt war es ihr in den letzten paar Tagen stets gelungen, sich irgendwie beschäftigt zu halten. Das Basislager in der Sampalok-Residenz aufschlagen, den Rest der Stadt erkunden, ihre mentalen Fähigkeiten austesten und verfeinern. All das hatte sie gebührend in Anspruch genommen. Und wenn das nicht reichte, hatte sie sich zu den wirklich bedeutungsvollen Orten hinausgewagt: der Culverit-Zikkurat, dem Orchard-Palast mit seinen sagenhaften Decken aus astronomischen Bildern, der Jeavons-Konstablerwache, und natürlich dem House of Blue Petals - wider Erwarten ein Tiefpunkt, nun, da es seinen unverkennbaren Schankraum und die charakteristischen Türen und dicken Vorhänge nicht mehr besaß. Ohne seine ganze Takelage schien das Gebäude irgendwie keine Substanz mehr zu haben. Auch das einst so prachtvolle Lillylight-Opernhaus war eine Enttäuschung gewesen. Jetzt, wo die Privatlogen der Großen Familien nicht mehr die abgestuften Ränge des riesigen Amphitheaters füllten, fehlte ihm einfach der Charakter, den sie in den Träumen miterlebt hatte, wenn die kuppelförmige Decke mit ihren weißen und violetten Stalaktiten auch wirklich beeindruckend war. Leider brachte sie nicht den Mut dazu auf zu singen, als sie auf
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