Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
Vom Netzwerk:
die
Trivers-Willard-Hypothese
(Trivers/Willard 1973), die besagt, dass wohlhabende Eltern mehr Söhne, arme Eltern mit niedrigem sozialen Status dagegen eher Töchter zeugen.
    Als Ursache für diesen Zusammenhang wird vermutet, dass Söhne, denen großer Reichtum zur Verfügung steht, sich theoretisch eine größere Zahl von Beziehungen zu Frauen und mehr Nachwuchs leisten können. Die Zahl ihrer Nachkommen würde dabei nur durch ihre materiellen Mittel, nicht aber durch ihre Zeugungsfähigkeit begrenzt.
    Töchter können aufgrund biologischer Rahmenbedingungen jedoch nur eine begrenzte Zahl von Kindern zur Welt bringen (ihre Fekundität), und zwar völlig unabhängig davon, ob sie aus einem armen oder reichen Elternhaus stammen.
Sexualität fördert die Entfaltung von Reproduktionsinteressen
    Die unterschiedlichen elterlichen Aufwände für die beiden Geschlechter haben noch eine andere Konsequenz, die im Rahmen der Systemischen Evolutionstheorie eine wesentliche Rolle spielt: Je geringer der männliche Anteil an den elterlichen Investments ist, desto stärker kann sich das männliche Reproduktionsinteresse entfalten.
    Denn im Grunde könnte ja die folgende Kritik an der Systemischen Evolutionstheorie geäußert werden:
Das Kriterium
natürliches Reproduktionsinteresse
fordert zwar, dass die Reproduktionsinteressen der Individuen nicht negativ mit dem Grad ihrer Anpassung an den Lebensraum korrelieren, sie könnten dann aber theoretisch so stark positiv korrelieren, dass mit zunehmender Anpassung an den Lebensraum durchschnittlich mehr Nachkommen in die Welt gesetzt werden, als anschließend versorgt werden können. Die Reproduktionsinteressen würden zwar in einem solchen Falle nicht negativ mit dem Grad der Anpassung der Individuen an den Lebensraum korrelieren, trotzdem würde der Reproduktionserfolg der Individuen mit zunehmender Anpassung sinken. Dies wäre dann eine Verletzung des Prinzips der natürlichen Auslese, welches aber angeblich aus den Prinzipien der Systemischen Evolutionstheorie ableitbar ist, wie der Abschnitt
Gültigkeit der Darwinschen Evolutionsprinzipien
auf Seite → gezeigt haben will.
    Zoologen weisen beispielsweise darauf hin, dass sowohl zu geringe als auch zu hohe Reproduktionsinteressen (etwa in Form zu kleiner beziehungsweise zu großer Gelegegrößen bei Vögeln) aus evolutionärer Sicht von Nachteil sind. Sie prognostizieren aber, dass sich solche Interessenabweichungen innerhalb einer Population – sofern keine systematische Ursache vorliegt – langfristig ausgleichen werden (Dawkins 2007: 216).
    Allerdings haben solche Überlegungen für das männliche Geschlecht eine umso geringere Bedeutung, je kleiner deren Anteil an den Elterninvestments ist, wodurch eine umso größere Varianz beim männlichen Reproduktionserfolg möglich wird. Unter solchen Verhältnissen dürfte das männliche Reproduktionsinteresse allgemein sehr hoch sein, und weitere Abweichungen nach oben werden – anders als beim weiblichen Geschlecht – kaum negative Konsequenzen nach sich ziehen. Ist der männliche Anteil an den Elterninvestments beispielsweise nahezu vernachlässigbar (die Männchen steuern lediglich ihre Gene zum Nachwuchs bei), dann dürfte das männliche Reproduktionsinteresse praktisch unlimitiert hoch sein, und die Männchen werden jede erdenkliche Gelegenheit zur Fortpflanzung nutzen wollen, schließlich entstehen für sie dabei keine zusätzlichen Lasten.
    Aus evolutionärer Sicht ist die Höhe des männlichen Reproduktionsinteresses von größerer Bedeutung als die des weiblichen (Mersch 2007c: 94ff.). In familien- und bevölkerungspolitischen Überlegungen konzentriert man sich dagegen fast ausschließlich auf die weiblichen Reproduktionsinteressen (siehe dazu den Abschnitt
Reproduktionsinteresse
auf Seite → ), was dem Gesamtkomplex „Fortpflanzung“ aber nicht gerecht wird.
    Die bisherigen Aufzählungen der Nachteile und Vorteile der Sexualität lassen weitere Zweifel an der Stichhaltigkeit der
Theorie der egoistischen Gene
(Dawkins 2007) aufkommen.
    Denn aus Sicht der egoistischen Gene stellt die sexuelle Fortpflanzung zunächst einmal ein Risiko dar, da dabei nicht sicher ist, welcher Anteil des eigenen Erbmaterials bei den Nachkommen zur Geltung kommen wird. Bei der asexuellen Fortpflanzung wird das gesamte eigene Erbgut an die nächste Generation weitergeben, bei der sexuellen Fortpflanzung dagegen nur teilweise. Biologen sprechen deshalb auch von den „twofold cost of sex“

Weitere Kostenlose Bücher