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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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für die Weibchen.
    Ferner könnten viele der eigenen Allele rezessiv im Vergleich zum Erbmaterial des Fortpflanzungspartners sein. Auch könnte die Kombination mit den Genen des Sexualpartners zu einer geringeren Anpassung an den Lebensraum führen und sich in der Folge als ausgesprochen ungünstig erweisen. Möglicherweise könnten sich die eigenen Nachkommen dann nicht einmal mehr fortpflanzen, so dass mit ihnen das genetische Aus käme (siehe Unterabschnitt
Die Nachteile der Sexualität
auf Seite → ).
    Trotz all dieser offenkundigen Nachteile aus genzentrischer Sicht hat sich die sexuelle Fortpflanzung evolutionär durchgesetzt.
    Wie wir gesehen haben, spielt das männliche Geschlecht – aufgrund dessen größerer Varianz beim Fortpflanzungserfolg – für die Verbreitung von Genen eine bedeutendere Rolle als das weibliche. Auch ist es bei vielen biologischen Arten einer höheren Mutationsrate (Mutagenität) ausgesetzt.
    Bei den meisten sozialen Insekten etwa sind die Männchen haploid, weswegen sich genetische Mutationen bei ihnen unmittelbar im Phänotyp bemerkbar machen werden. Vor der Paarung unterliegen die Männchen jedoch zunächst noch einer gesonderten (sexuellen) Selektion. Bei den Treiberameisen beispielsweise entscheiden die Arbeiterinnen, welches zugeflogene und dann entflügelte Männchen zur Königin darf. Bei anderen Ameisenarten kämpfen flügellose Männchen solange gegeneinander, bis nur noch eins übriggeblieben ist, während die geflügelten Exemplare einem weiteren Wettbewerb ausgesetzt sind. Gegebenenfalls konkurrieren die siegreichen geflügelten und ungeflügelten Individuen am Ende um den Zugang zur Königin, wobei sie sich mit allerlei Tricks gegenseitig zu überlisten versuchen (zum Beispiel bei der tropischen Ameise Cardiocondyla obscurior). Es ist deshalb von Vorteil, wenn sich bei ihnen günstige Mutationen sofort in Merkmalen ausprägen können, denn nur dann können sie einen Einfluss auf die sexuelle Selektion nehmen. Ein Merkmal, welches erst bei den Enkeln zur Geltung käme, würde in diesem Zusammenhang nichts nützen.
    Offenbar geht es bei der Evolution also nicht nur um die Verbreitung der eigenen Gene, sondern ganz entscheidend auch um deren Verbesserung. Die Reproduktion besitzt stets sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte, wobei letztere speziell bei höheren Lebewesen von vorrangiger Bedeutung zu sein scheinen.
    Wenn – wie bei vielen Ameisenarten – alle Arbeiterinnen Schwestern sind und sich genetisch zu 75 Prozent gleichen, dann stellen ihre Gene kein Alleinstellungsmerkmal mehr dar. Auch – und das ist ganz wichtig – besitzen Ameisenweibchen keine fälschungssicheren Fitnessindikatoren. Solche Merkmale entfalten sich erst in der Konkurrenz, wie sie nur unter den Männchen besteht.
    Erst durch die sexuelle Auslese unter den Männchen und der dadurch bedingten überproportionalen Ausbreitung der Gene der erfolgreicheren männlichen Exemplare entsteht so etwas wie eine beschleunigte Evolution beziehungsweise Anpassung an den Lebensraum, und erst hierdurch kommt ein ganz wesentlicher Vorteil getrenntgeschlechtlicher Populationen zur Geltung.
    Aus Sicht ihrer Gene verfolgen die beiden Geschlechter dabei recht unterschiedliche Strategien: Männchen wollen, dass sich ihre Gene durchsetzen, während die Weibchen vor allem an einer Verbesserung beziehungsweise Optimierung ihres genetischen Materials interessiert sind, andernfalls wäre die Parthenogenese (Jungfernzeugung) für sie die bessere Wahl. Dass dies tatsächlich so ist, lässt sich selbst am weiblichen Partnerwahlverhalten in modernen menschlichen Gesellschaften erkennen (Weber 2003: 77; Woinoff 2008).
    Egoistisch im Sinne ihrer Gene verhalten sich folglich in erster Linie männliche Individuen. Man könnte die
Theorie der egoistischen Gene
deshalb gewissermaßen auch als male-centric bezeichnen.
Sexuelle Arbeitsteilung kann den Reproduktionserfolg erhöhen
    Lebewesen geht es vor allem um den eigenen Selbsterhalt und die Fortpflanzung. Aus diesem Grund gliedern Soziobiologen – wie bereits im letzten Abschnitt erwähnt wurde – den Lebensaufwand eines Individuums in die beiden Unterbereiche
somatischer Aufwand
und
Reproduktionsaufwand
, wobei ersterer primär dazu dient,
Reproduktionspotenzial
zu akkumulieren und letzterer dazu, dieses dann wieder zu verausgaben (Voland 2007: 84).
    Adam Smith rechnete in seinem Hauptwerk „
Der Wohlstand der Nationen
“ vor, dass ein Nagelmacher, der alles

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