Evolution, Zivilisation und Verschwendung
selbst ausführt, pro Tag höchstens ein paar hundert Nägel herstellen kann, während er in einer Nagelfabrik, in der die Arbeiten gemäß dem Prinzip der Arbeitsteilung in kleine Einzelschritte zerlegt sind, umgerechnet mehr als 4.800 Nägel pro Tag produzieren kann (Sennett 2007:44). Eine arbeitsteilige Produktionsweise kann folglich äußerst effizient sein.
Aus dem gleichen Grund kann es von Vorteil sein, die beiden zentralen Lebensaufgaben zwischen den Geschlechtern aufzuteilen: Das männliche Geschlecht kümmert sich dann vorwiegend um den Selbsterhalt und das weibliche um die Fortpflanzung. Auch ist damit eine effizientere Erfüllung des Darwinschen Selektionsprinzips möglich, welches von einer gleichzeitigen Optimierung der beiden Lebensaufgaben Selbsterhalt und Fortpflanzung (übersetzt: „Individuen, die sich besser selbsterhalten können, pflanzen sich häufiger fort“) spricht (siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt
Central theoretical problem of human sociobiology
auf Seite → ). Bei einer fehlenden Auftrennung der genannten Lebensbereiche dürfte es dagegen immer zu Zielkonflikten kommen.
Ist der Gesamtprozess der Fortpflanzung (inklusive Erziehung, Bildung und Sozialisation) mit einem ähnlich hohen Aufwand verbunden wie die Ressourcenbeschaffung (Selbsterhalt), könnte eine solch strikte sexuelle Arbeitsteilung gemäß den Berechnungen Adam Smiths sogar reproduktiv leistungsfähiger sein als die Fortpflanzungsweise von Hermaphroditen oder sich asexuell vermehrenden Populationen.
Wie im Abschnitt
Menschliche Paarungssysteme
auf Seite → angemerkt wurde, sind die Anthropologen Kuhn und Stiner der Ansicht, die spezifische menschliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern habe einen entscheidenden evolutionären Vorteil dargestellt, da es dem Homo Sapiens auf diese Weise gelungen sei, mehr Nachwuchs durchzubringen. Bei den Neandertalern soll eine ähnlich strikte sexuelle Arbeitsteilung nicht bestanden haben, was entscheidend zu deren Aussterben beigetragen habe (Kuhn/Stiner 2006). Allerdings ging die menschliche sexuelle Arbeitsteilung mit einem Autonomieverlust auf weiblicher Seite einher: Sind etwa Löwinnen durchaus noch in der Lage, sich und ihre Kinder selbst zu versorgen, so war das für die Frauen in der Altsteinzeit nur noch sehr bedingt möglich. Stattdessen waren sie nun auf eine regelmäßige Versorgung durch die männlichen Jäger angewiesen.
Sexualität fördert die Entstehung sozialer Gemeinschaften
Die Sexualität hatte maßgeblichen Anteil an der Entstehung sozialer Gemeinschaften. Denn einerseits können sich in sexuell reproduzierenden Populationen die Individuen nicht mehr selbstständig fortpflanzen, weswegen sie sich zunächst um einen Sexualpartner bemühen müssen. Bei der anschließenden Paarung handelt es sich dann um einen kooperativen Vorgang zum Zwecke der gemeinsamen Fortpflanzung.
Wenn die verschiedenen Individuen einer Population ohnehin regelmäßig zusammenkommen müssen, damit sie sich fortpflanzen können, dann erleichtert dies das Entstehen sozialer Gemeinschaften, zumal die Mitglieder ihre Bedürfnisse (zum Beispiel Schutz) darin oftmals in der Summe viel besser befriedigen können, als wenn sie auf sich allein gestellt wären.
Ein gewichtiges Problem in sozialen Gemeinschaften stellt die soziale Arbeitsteilung dar (in Abgrenzung zur sexuellen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern), denn dabei dienen die verrichteten Arbeiten nicht mehr ausschließlich dem eigenen Selbsterhalt (oder dem der eigenen Nachkommen), sondern ganz wesentlich auch dem Nutzen anderer.
In arbeitsteiligen sozialen Gemeinschaften haben besonders leistungsfähige (fitte) Individuen oftmals besonders viel zu tun. Wenn sich beispielsweise ein Individuum bei der Ressourcenbeschaffung oder der Feindbeobachtung sehr leicht tut, dann dürfte es für die Gemeinschaft insgesamt von Vorteil sein, dieses nun für solche Aufgaben verstärkt einzusetzen. Die restlichen Individuen würden die verbliebenen Aufgaben dann unter sich aufteilen. Besonders kompetente oder engagierte (beziehungsweise sozial eingestellte) Individuen hätten dann aber weniger Zeit, sich um ihren eigenen Nachwuchs zu bemühen, wodurch sich ihre Reproduktionschancen und damit auch ihr Reproduktionsinteresse reduzieren dürften. Sie würden deshalb in der Folge weniger Nachkommen haben als weniger gut angepasste Individuen, was einer Verletzung des Prinzips der natürlichen Selektion gleichkäme. In der Natur tritt
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