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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Krankheitserreger und Parasiten erleichtert wird (Junker 2006b: 67).
    In diploiden Individuen (mit doppelten Chromosomensätzen) kann das zweite Allel als Backup dienen, falls einmal ein Allel verloren gegangen ist (beziehungsweise zerstört wurde). Aus den gleichen Gründen können diploide Spezies höhere Mutationsraten verkraften, weswegen sie sich besonders schnell an verändernde Rahmenbedingungen anpassen können. Und schließlich codieren verschiedene Allele meist für leicht unterschiedliche Merkmale, wodurch sich die Flexibilität des Phänotyps gegenüber unterschiedlichen Umgebungsbedingungen erhöhen kann (
Heterozygotenvorteil
).
    Die Ausführungen im Abschnitt
Sexualität
auf Seite → machten aber bereits deutlich, dass die genetische Rekombination keineswegs erklären kann, warum sich die Getrenntgeschlechtlichkeit bei höheren Lebewesen gegenüber dem Hermaphroditismus durchgesetzt hat.
Sexualität kann ungünstige Mutationen entfernen
    Dieser Zusammenhang wurde bereits im Abschnitt
Muller’s Ratchet
auf Seite → dargestellt: Die Mindestzahl der ungünstigen Mutationen innerhalb einer Population kann bei der asexuellen Reproduktion nicht mehr reduziert werde, höchstens durch Rückmutationen, die aber extrem unwahrscheinlich und selten sind.
    Bei der sexuellen Fortpflanzung könnten dagegen nachteilige Mutationen wieder durch genetische Rekombinationen verloren gehen (Stearns/Hoekstra 2005: 189). Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Weibchen aus der Menge der Männchen diejenigen bevorzugen, die besonders gut an den Lebensraum angepasst sind und folglich nur über sehr wenige nachteilige Mutationen verfügen (Stearns/Hoekstra 2005: 190).
    Der genannte Vorteil dürfte sich besonders stark in getrenntgeschlechtlichen Populationen (und weniger stark bei Hermaphroditen) bemerkbar machen, allerdings auch nur dann, wenn die Männchen im Durchschnitt den deutlich geringeren Anteil an den Elterninvestments tragen, so dass es zu einer verstärkten Auslese unter den männlichen Individuen kommen kann.
    Das gerade erzielte Ergebnis steht in einem direkten Bezug zum nächsten Punkt „
Sexualität kann günstige Mutationen beschleunigt verbreiten
“: Die Sexualität ist sowohl in der Lage, ungünstige Mutationen aus dem Gen-Pool einer Population effizient zu entfernen, als auch günstige Mutationen beschleunigt zu verbreiten. Allerdings setzt dies voraus, dass in der Population ein nennenswerter Unterschied in der potenziellen Fruchtbarkeit von männlich versus weiblich besteht.
Sexualität kann günstige Mutationen beschleunigt verbreiten
    Im Abschnitt
Fitnessindikatoren
auf Seite → konnte bereits gezeigt werden: Die viel höhere potenzielle Fruchtbarkeit des männlichen Geschlechts (nur bei durchschnittlich signifikant verminderten Elterninvestments) in Kombination mit dem weiblichen Partnerwahlverhalten (im Tierreich meist anhand sogenannter Fitnessindikatoren) kann zu einer deutlich beschleunigten Verbreitung von Erfolgsmerkmalen innerhalb einer Population führen. Viele männliche Individuen werden dann nämlich keine oder nur sehr wenige Nachkommen haben, andere dafür vergleichsweise viele. Getrenntgeschlechtliche Populationen sind folglich Hermaphroditen gegenüber von der Fortpflanzung her zwar
quantitativ unterlegen
, doch
qualitativ überlegen
: dies ist einer ihrer entscheidenden Vorteile.
    In diesem Zusammenhang ist zusätzlich zu beachten, dass Männer häufiger von genetischen Mutationen betroffen sind als Frauen, was möglicherweise auf die männliche XY-Chromosomen-Asymmetrie zurückzuführen ist (Zechner et al. 2001) 143 . Beispielsweise sind sechs von sieben Inselbegabten Männer. Der bekannte Inselbegabte Kim Peek verfügt zwar über außergewöhnliche geistige Fähigkeiten, die sich auf ein gegenüber nichtautistischen Menschen völlig anders strukturiertes Gehirn zurückführen lassen, gleichzeitig ist er aber auch geistig behindert. Die meisten Mutationen dieser Art wirken sich nämlich in der Summe eher ungünstig aus. Dennoch kann der Natur auf diese Weise gelegentlich ein „Volltreffer“ gelingen. So behauptetder Hirnforscher Michael Fitzgerald etwa, selbst bei Genies wie Einstein, Newton, Beethoven oder Mozart habe eine mehr oder weniger starke Ausprägung von Autismus vorgelegen 144 .
    Auch bei der Intelligenz scheint eine ähnlich asymmetrische Geschlechterverteilung wie bei Inselbegabten vorzuliegen: die Varianz der Intelligenzverteilung bei Männern ist

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