Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Kapitel
Zivilisation
auf Seite → wird demgegenüber jedoch zeigen: Kultur, Zivilisation, Demokratie, Marktwirtschaft und moderne Technik beruhen letztlich alle auf der Gefallen-wollen-Kommunikation und sind ohne diese nicht vorstellbar. Die Grundlage jeglicher Kultur wurde bereits gelegt, als die Männchen im Rahmen der Gefallen-wollen-Kommunikation lernen mussten, ihre Triebe so lange zu beherrschen, bis ein Weibchen seine Einwilligung zum Fortpflanzungsakt gab. Entsprechende Verhaltensmuster machen jedoch nur in getrenntgeschlechtlichen Populationen Sinn.
Sexualität kann Evolutionen ohne äußeren Selektionsdruck bewirken
Im Abschnitt
Fitnessindikatoren
auf Seite → konnten – anhand theoretischer Überlegungen und eines Beispiels – die folgenden Zusammenhänge nachgewiesen werden.
Die getrenntgeschlechtliche Fortpflanzung in Verbindung mit der unterschiedlichen Fruchtbarkeit von männlich versus weiblich und den damit zusammenhängenden geringeren Elterninvestments des männlichen Geschlechts kann für (eine beschleunigte) Evolution sorgen, und zwar selbst dann, wenn die Reproduktion der gesamten Population nicht einmal mengenmäßig bestandserhaltend ist. Die in verschiedenen Fassungen der Darwinschen Evolutionstheorie genannte Fruchtbarkeitsvoraussetzung für die
natürliche Auslese
, zum Beispiel (Mayr 2005: 148):
Alle Populationen sind so fruchtbar, dass ihre Größe ohne Beschränkungen exponentiell zunehmen würde.
oder (Lenzen 2003: 49):
Pflanzen und Tiere produzieren mehr Nachkommen, als die Umwelt ernähren kann.
kann dann entfallen. Für eine Evolution genügt es bereits, wenn die Summe der männlichen Reproduktionsinteressen größer ist als die Summe der weiblichen Reproduktionsinteressen (beziehungsweise deren Reproduktionskapazitäten). Im Vordergrund würde dann allerdings nicht mehr der Kampf ums Dasein (Konkurrenz um natürliche Ressourcen wie Nahrung oder Raum) stehen, sondern der Wettbewerb um Fortpflanzungspartner. All dies macht deutlich, dass die eigentliche Triebfeder der Evolution das den Lebewesen innewohnende Eigeninteresse (
Selbsterhaltungs- und Reproduktionsinteresse
) ist und nicht die
natürliche Auslese
beziehungsweise
Survival of the Fittest
.
Auf Dauer wird der beschriebene Mechanismus der sexuellen Selektion aber nur dann funktionieren, wenn die Partnerwahlpräferenzen der wirklichen Fitness der Fortpflanzungspartner (in Relation zum Lebensraum) entsprechen. Im Beispiel war dies der Fall.
Mit anderen Worten: Befinden sich bei einer biologischen Art die im Rahmen der
sexuellen Selektion
verwendeten Fitnessindikatoren im Einklang mit der wirklichen Fitness der Sexualpartner, dann wird auf das Geschlecht, welches die durchschnittlich höhere potenzielle Fruchtbarkeit aufweist (üblicherweise das männliche Geschlecht) ein künstlicher Selektionsdruck ausgeübt, so dass für die weitere Evolution der biologischen Art ein äußerer, durch den Lebensraum ausgeübter Selektionsdruck (
natürliche Selektion
) nicht länger erforderlich ist. Die Spezies könnte selbst dann evolvieren, wenn die Populationszahlen zurückgehen.
Das männliche Geschlecht muss sich dabei aber – speziell im Zusammenwirken mit der Gefallen-wollen-Kommunikation respektive sexuellen Selektion – nicht nur ganz intensiv fortpflanzen „wollen“, sondern es muss auch Mitglieder des anderen Geschlechts von sich überzeugen können, das heißt gefallen. Hierfür sind gegebenenfalls jede Menge Energie, Einsatzwillen und manchmal eben auch Innovationen erforderlich.
Insgesamt kann festgehalten werden:
Mit der getrenntgeschlechtlichen Fortpflanzung kam die Gefallen-wollenKommunikation, und die ersetzt
Kampf durch Wettbewerb,
Dominanz durch Gefallen-wollen,
Fressen-und-Gefressen-werden – und damit den Tod – durch Respekt, Kultur und Geschmack und
Stärke durch Innovation,
ohne dabei auf den ständigen Überlebenskampf einer viel zu großen Schar an Nachkommen angewiesen zu sein. Sie ermöglicht das Entstehen eigenständiger Evolutionsumgebungen, in denen der Wettbewerb um den Geschmack und die Präferenzen einer Gruppe von Selektierern im Vordergrund steht.
Sexualität ist verschwenderisch
Die wesentlichen Gründe dafür wurden bereits genannt:
In getrenntgeschlechtlichen Populationen müssen gegenüber anderen Reproduktionsarten doppelt so viele Individuen „produziert“ werden.
Die in getrenntgeschlechtlichen Populationen häufig anzutreffende Gefallen-wollen-Kommunikation ist per se
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