Evolution, Zivilisation und Verschwendung
nicht zu erklären. Folglich wiesen irreduzibel komplexe Systeme auf eine externe Planung beziehungsweise ein externes Design hin. Entsprechende Hinweise werden seitens des Intelligent Designs dann als
Design-Signale
interpretiert (Junker/Scherer 2006: 306).
Intelligent Design versucht also nicht nur die Evolutionstheorie zu widerlegen oder sie abzulehnen, sondern eine eigene Theorie aufzustellen, deren Gültigkeit durch positive Evidenz (Vorliegen von Design-Signalen) belegt werden soll. Kritiker halten dem allerdings entgegen (Miller 1999), dass diese Vorgehensweise wegen fehlender Falsifizierbarkeit unwissenschaftlich sei: Wenn jede einzelne vorgeblich irreduzibel komplexe Funktion solange ein Design-Signal beinhalte, bis deren evolutive Entstehung durch dieBiologen schlüssig nachgewiesen werden konnte, ließe sich die Grundthese des Intelligent Designs niemals widerlegen.
Ein typisches Analogiebeispiel des Intelligent Designs außerhalb der Biologie ist die Mausefalle: Eine Mausefalle gilt als nicht-reduzierbar komplex, denn angeblich soll man sich nicht vorstellen können, wie sie sich aus einfacheren Vorläufern, die schon eine minimale Funktion beim Fangen von Nagern hatten, entwickelt haben kann (Schrader 2007: 80). So heißt es denn, Evolution könne dabei nicht stattgefunden haben, weil Zwischenformen nicht funktionsfähig seien (Lenzen 2003: 127). Ein solches Denkkonzept wird dann von den Vertretern des Intelligent Designs auf die Biologie übertragen, beispielsweise auf die vorgeblich nicht-reduzierbar komplexen Geißeln von Bakterien.
Allerdings sind mittlerweile in beiden Fällen Entwicklungsszenarien mit mehreren Zwischenstufen vorgelegt worden. Auch wird von den Vertretern des Intelligent Designs stets übersehen, dass die Natur nicht auf ein bestimmtes Anwendungsziel hinarbeitet. Teilkomponenten könnten deshalb zunächst auch andere Aufgaben wahrgenommen haben, was selbst bei einer Mausefalle denkbar ist. Erst bei relativer Vollendung der komplexen Funktion ist dann die finale Anwendbarkeit zum Vorschein gekommen. Dennoch existiert mittlerweile sogar eine animierte Abfolge von zwölf Evolutionsschritten zur Konstruktion einer heutigen Mausefalle, bei der alle Zwischenschritte noch immer als Falle funktionsfähig sind. Christopher Schrader kommentiert das Ergebnis wie folgt (Schrader 2007: 94):
Natürlich will der Biologe aus Delaware damit nicht belegen, dass heutige Mausefallen das Produkt der Evolution sind. Der entscheidende Punkt ist: Behes nicht-reduzierbar komplexe Systeme können durchaus auf verschlungenen Wegen entstanden sein, und Einzelteile zunächst eine ganz andere Funktion gehabt haben. Kenneth Miller zählt zwölf verschiedene Produkte auf, die aus den Mausefallen-Bauteilen hergestellt werden könnten: darunter ein Zahnstocher, ein Schlüsselring, ein Nussknacker und eine Krawattenklammer. All diese Produkte hätte eine fiktive TechnikEvolution per Variation und Selektion optimieren und dann als Vorstufen der Falle nutzen können.
Die einzelnen Teile einer scheinbar irreduzibel komplexen Maschine können folglich durchaus andere nützliche Funktionen haben und sich auch als solche entwickelt haben. Triebfeder in der Natur dafür könnte einmal mehr das Selbsterhaltungs- und Reproduktionsinteresse sein, was sich auch an einem Beispiel aus der Unternehmenswelt verdeutlichen lässt: Nokia wurde1865 gegründet und konzentrierte sich zunächst auf die Herstellung von Papiererzeugnissen. Später stellte es dann Gebrauchsgegenstände wie Gummistiefel und Radreifen her. Heute ist das Unternehmen der weltgrößte Mobiltelefon-Hersteller. Wie man sieht: Funktionen, Zwecke und Ziele können sich unvorhersehbar wandeln. Was allerdings bleibt ist: Das Unternehmen möchte sich selbsterhalten.
Der von Schrader erwähnte Biologe aus Delaware muss übrigens keineswegs belegen können, dass zeitgenössische Mausefallen ein Produkt der Evolution sind, weil dies ja das vorliegende Buch bereits in umfassender Weise getan hat: Die Evolution hat den Menschen hervorbracht, mit ihm auch dessen Kooperationsfähigkeit, auf deren Basis dann irgendwann die Organisationssysteme entstanden sind, von denen einige nun Mausefallen herstellen, um damit auf entsprechenden Märkten ihre lebensnotwendigen Ressourcen zu erlangen, wobei sie ebenfalls evolvieren. Mausefallen sind folglich genauso ein Produkt der Evolution, wie dies zum Beispiel Äpfel sind.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die von Intelligent
Weitere Kostenlose Bücher