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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Kulturkreis wird heute unter Familie in der Regel die sogenannte
Kernfamilie
aus Vater, Mutter und deren Kindern verstanden.
    In der Tat ist sie in modernen Gesellschaften die weiterhin häufigste Familienform. Alternative Modelle wie Alleinerziehung, Wohngemeinschaften, das Zusammenleben zweier Elternteile mit nichtgemeinsamen oder gar jeweils eigenen Kindern nehmen zwar anteilsmäßig zu, bleiben aber vorläufig noch in der Minderheit.
    Allerdings werden die Begriffe Familie und Kernfamilie in der Soziologie nicht einheitlich verwendet. Für Rosemarie Nave-Herz ist beispielsweise die
Generationendifferenzierung
(zum Beispiel: Mutter mit Kindern) kennzeichnend für den Begriff der Familie, eine kinderlose Ehe ist für sie noch keine Familie (Nave-Herz 2002: 15). Entsprechend dieser Auffassung ist eine Kernfamilie eine Familie mit einem oder beiden Elternteilen und Kindern, jedoch ohne dritte Generation (zum Beispiel Großmutter). Eine Wohngemeinschaft mit zehn jüngeren Menschen, die sich selbst „Familie“ nennen, wäre in diesem Sinne dagegen noch keine Familie, wenn darin ein Kind aufwächst, dann allerdings schon.
5.5.2 Ganzes Haus
    Als
Ganzes Haus
wird die seit dem Mittelalter vor allem in Westeuropa entstandene Familienform der Bauern und Stadtbürger bezeichnet, in der neben der Kernfamilie noch Verwandte (zum Beispiel Großeltern, Geschwister) und Gesinde wohnten. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass im Mittelalter zeitweise fünfzig Prozent aller sesshaften Menschen in solchen Gemeinschaften lebten.
    Im Ganzen Haus vereinbarte sich Familienarbeit und berufliche Tätigkeit auf besonders einfache Weise, denn häufig wurden Kinder bereits frühzeitig inihre spätere Aufgabe eingearbeitet und waren praktisch ständig unter der Aufsicht der Eltern, von Verwandten oder des Personals. Allerdings blieb dabei nicht selten eine ausreichende Bildung auf der Strecke, da dafür entweder die Kompetenzen fehlten oder sie als nicht notwendig erachtet wurde. Dies galt in besonderem Maße für Mädchen.
    Auch heute noch können in ländlichen Gegenden, aber auch in manchen Berufen, ähnliche Konstellationen vorgefunden werden. Dies ist insbesondere bei freiberuflichen und selbstständigen Tätigkeiten der Fall, zum Beispiel bei einem Lebensmittelgeschäft mit angeschlossenem Wohnbereich. Beide Elternteile stehen in diesem Fall über weite Strecken des Tages als Ansprechpartner für die Kinder zur Verfügung.
    Einige Experten vermuten, in Wissensgesellschaften und aufgrund von Fortschritten in der Telekommunikation könnten wieder vermehrt Heimarbeitsplätze entstehen, so dass das
Ganze Haus
gleichfalls eine Renaissance erleben würde.
5.5.3 Ernährermodell
    Die Industriegesellschaft mit ihrem hohen Kapitaleinsatz und ihrer starken Verlagerung der Produktion aus dem häuslichen Bereich heraus machte es erforderlich, dass ein Elternteil – üblicherweise der Mann – das Haus verließ, um einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Diese wurde mit Geld und/oder Waren vergütet, womit der Familienvater dann Frau und Kinder ernährte.
    Als Familienform setzte sich deshalb sukzessive das
patriarchalische Ernährermodell
durch, bei dem der Vater als Ernährer der Familie fungierte, während sich die Mutter als
Hausfrau
um Haus und Kinder kümmerte.
    Zwischen beiden Geschlechtern etablierte sich erneut die bereits biologisch vorgeprägte Arbeitsteilung, bei der der Mann primär für die
produktiven
, die Frau dagegen für die
reproduktiven
Aufgaben verantwortlich war. Eine ähnliche Konstellation gab es bereits in der Altsteinzeit während der Menschwerdung, als die Männer zur Jagd aufbrachen und die Frauen die Kinder aufzogen und gegebenenfalls in der Umgebung Pflanzen sammelten.
    Allerdings besteht zwischen den aktuellen und historischen Familienkonstellationen noch ein entscheidender Unterschied, der gern übersehen wird: In der Altsteinzeit gingen in der Regel die Männer gemeinsam zur Jagd, um dann später ihre Beute mit ihren Frauen zu teilen. Ganz im Gegensatz dazuist die moderne Familie als ökonomisch autarke Einheit angelegt, dass heißt, sie hat sich selbst zu versorgen. Übertragen auf die Altsteinzeit hieße das: Alle Männer gehen einzeln zur Jagd, haben alle für sich einen individuellen Jagderfolg, der dann ausschließlich ihren jeweiligen Familien zur Verfügung steht.
    Im Rahmen einer Wertedebatte könnte deshalb auch durchaus angemerkt werden, dass das patriarchalische Ernährermodell vom Kern her individualistisch

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