Evolution, Zivilisation und Verschwendung
angelegt ist. Naturvölker würden möglicherweise sogar einen beträchtlichen Werteverlust reklamieren.
Beim Ernährermodell besteht eine Hierarchie an sozialen Funktionen: Der Mann ernährt und schützt die Frau, diese wiederum die Kinder.
Häufig wird das patriarchalische Familienmodell (Ernährermodell) wie folgt beschrieben:
Der Mann geht arbeiten, und die Frau zieht die Kinder auf.
Wie der Ausdruck
Ernährermodell
bereits sagt, ist diese Beschreibung jedoch unvollständig. Präziser müsste es heißen:
Der Mann geht arbeiten und verdient dafür Geld, die Frau zieht die Kinder auf und verdient dafür kein Geld.
Das patriarchalische Ernährermodell erwies sich in der Praxis als äußerst erfolgreich, zumal es ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen
Produktion
und
Reproduktion
etablierte, was es dem Staat erlaubte, sich weitestgehend aus der gesellschaftlichen Reproduktion herauszuhalten und diese als ausschließliche Angelegenheit seiner Individuen zu betrachten.
Seinen Höhepunkt erlebte diese Form des Zusammenlebens im 20. Jahrhundert, als sich die Kernfamilie mit dem männlichen Ernährer praktisch weltweit als dominante Familienform durchsetzte.
Allerdings hatte das Modell einen entscheidenden Nachteil: Die Frauen verblieben dabei in ökonomischer Abhängigkeit von ihren Männern, eine Tatsache, die mit modernen Gleichheitsgrundsätzen nicht mehr zu vereinbaren war. Auf der anderen Seite stellte es sich auch für die Männer nicht nur als vorteilhaft dar, denn deren Arbeitswelt war häufig gefährlich, schmutzig und erschöpfend, also alles andere als selbstbestimmt. Diese Anstrengungen wurden aber mit einem Einkommen entlohnt, was die Männer gleichzeitig – als Teil des Lohns – zum Oberhaupt der Familie machte.
Erst das verstärkte Aufkommen von angenehmeren Jobs, bei denen in erster Linie intellektuelle und von Frauen in gleicher Weise erbringbare Leistungen gefordert waren, ließ die klassische Rollenaufteilung als eher günstig für den männlichen Teil der Bevölkerung erscheinen.
5.5.4 Familienmodell bei weiblicher Emanzipation
Die Frauenbewegung hat das patriarchalische Ernährermodell erfolgreich bekämpft und ein anderes Familienmodell (
Vereinbarkeitsmodell
) dagegen gestellt, welches in unserer Gesellschaft mittlerweile auf breiteste Akzeptanz stößt. Es basiert auf der Annahme einer grundsätzlichen
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
.
Mann und Frau gehen beide arbeiten und verdienen dafür Geld. Außerdem teilen sie sich die Familienarbeit und verdienen dafür beide kein Geld.
Vielen Familien erscheint die prinzipielle Vereinbarkeit dieser völlig unterschiedlichen und zeitaufwendigen Aufgaben jedoch als Mythos; sie erleben beides als Addition (Radisch 2007: 139ff.). Auch scheint die Reduzierung der Arbeitszeiten bei beiden Ehepartnern zwecks einer gerechteren Aufteilung der Familienarbeit aus ökonomischer Sicht für die betroffenen Familien häufig die schlechteste Lösung zu sein, da dann beide Ehepartner auf eine Karrieremöglichkeit und somit zusätzliche Verdienstmöglichkeiten verzichten müssen. Auch schließen zahlreiche Berufe – und hier insbesondere typische Männerberufe (Pilot, Lokführer, Matrose, Dachdecker, Fernfahrer etc.) – Vereinbarkeitsszenarien von vornherein weitestgehend aus.
Die bisherigen Ausführungen konnten deutlich machen: Der Geburtenrückgang in den entwickelten Ländern ist in erster Linie auf das Verschwinden der Mehrkindfamilie mit drei oder mehr Kindern zurückzuführen.
Bei einer größeren Familie mit vier oder fünf Kindern nimmt die Familienarbeit eine solche Größenordnung an, dass ein Elternteil (in der Regel die Mutter) über einen Zeitraum von zehn oder mehr Jahren keiner oder nur einer geringfügigen gleichzeitigen Erwerbsarbeit nachgehen kann und sollte (Ausnahmen bestätigen die Regel). Damit verfügt die Familie fast ausschließlich über das Einkommen des Ehemannes und damit über deutlich geringere Einkünfte bei gleichzeitig wesentlich höheren Kosten gegenüber berufstätigen Kleinfamilien beziehungsweise Kinderlosen.
Ferner sind solche Familien, die – wie gesagt – für die Bestandserhaltung der Bevölkerung unbedingt erforderlich sind, dazu gezwungen, für einen längeren Zeitraum zu einer modernen Abwandlung des patriarchalischen Ernährermodells zurückzukehren, was aber eigentlich nicht mehr dem Zeitgeist entspricht.
Dieses Familienmodell trägt den Namen
Phasenmodell
.
Mann und Frau gehen beide arbeiten und
Weitere Kostenlose Bücher