Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Unterschied zu Eltern mit einem oder zwei Kindern haben kinderreiche Eltern häufiger nur eine unzureichende Ausbildung, die sie „vererben“ können.
Daneben besteht bei nicht wenigen größeren Familien ein Migrationshintergrund: Ausländische Familien sind gegenwärtig noch wesentlich häufiger kinderreich als deutsche Familien (Eggen/Rupp 2006: 51f.). Während nur 11 Prozent aller Familien mit zwei Kindern nicht deutsch 152 sind, steigt deren Anteil bei Familien mit vier Kindern auf bereits 23 Prozent an und bei Familien mit fünf oder mehr Kindern gar auf 33 Prozent.
Da ausländische Eltern gleichzeitig überdurchschnittlich häufig arbeitslos sind und im Schnitt signifikant niedrigere Bildungsabschlüsse aufweisen, könnte dies ein Anzeichen dafür sein, dass die in der deutschen Bevölkerung weitestgehend verinnerlichte Norm der verantworteten Elternschaft, nämlich nur dann Kinder in die Welt zu setzen, wenn man es persönlich und ökonomisch auch verantworten kann, bei Eltern mit Migrationshintergrund deutlich weniger akzeptiert wird.
Die durchschnittlich schlechteren Bildungsabschlüsse von Eltern kinderreicher Familien wirken sich erwartungsgemäß auch auf deren Erwerbsverhalten aus (Eggen/Rupp 2006: 70f.):
Trotz der unterschiedlichen Bedingungen (…) gehen in relativ vielen kinderreichen Familien beide Eltern einer Erwerbstätigkeit nach. In jeder zweiten Familie mit drei Kindern und in jeder dritten Familie mit vier oder mehr Kindern sind beide Eltern erwerbstätig (…). Gleichzeitig sind in überdurchschnittlich vielen kinderreichen Familien beide Eltern nicht erwerbstätig, das gilt besonders für Familien mit vier oder mehr Kindern. In den meisten dieser Familien bestimmen Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe den Lebensunterhalt der Familien.
Der Umfang des Erwerbsverhaltens von Müttern kinderreicher Familien sinkt stark mit der Zahl ihrer Kinder (Eggen/Rupp 2006: 71).
5.4 Reproduktionsinteresse
Im Abschnitt
Systemische Evolutionstheorie
auf Seite → wurde gezeigt, dass sich das Prinzip der natürlichen Selektion aus einem grundsätzlicheren Prinzip, nämlich der „natürlichen Verteilung“ der Reproduktionsinteressen unter den Individuen einer Population herleiten lässt. Die biologische Evolution dürfte also ganz entscheidend durch die den Individuen innewohnenden Reproduktionsinteressen vorangetrieben werden.
In menschlichen Populationen könnte das Reproduktionsinteresse in einer ersten Annäherung mit der gewünschten Zahl an Kindern (dem Kinderwunsch) gleichgesetzt werden. In der Regel wird es größer als die dann tatsächlich realisierte Zahl an Nachkommen sein.
Eine Studie der Robert-Bosch-Stiftung und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) offenbarte, dass sich Frauen in Deutschland durchschnittlich nur noch 1,75 Kinder wünschen, Männer sogar nur 1,59 (Robert Bosch Stiftung 2006b). Kinderlose ohne beruflichen Abschluss wünschen sich signifikant häufiger Kinder als Kinderlose mit beruflichem Ausbildungsabschluss beziehungsweise Hochschul/Fachhochschulabschluss (Klein 2006: 76).
Man könnte die Ergebnisse auch so zusammenfassen: Das natürliche Reproduktionsinteresse der Bürger der Bundesrepublik Deutschland ist beschädigt, und zwar bei Männern mehr als bei Frauen und bei Menschen mit hoher Bildung und beruflichem Ausbildungsabschluss mehr als bei Menschen ohne beruflichen Abschluss.
In den Entwicklungsländern scheint der Wunsch nach weniger Kindern eher bei Frauen ausgeprägt zu sein (Joas 2001: 497), was normalerweise auch zu erwarten wäre, denn getrenntgeschlechtliche Populationen machen aus evolutiven Gründen nur dann wirklich Sinn, wenn das männliche Geschlecht ein durchschnittlich höheres Reproduktionsinteresse besitzt als das weibliche (siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt
Wozu gibt es Sexualität?
auf Seite → ). Dass dies in vielen modernen Industrienationen genau umgekehrt ist, ist nicht nur äußerst alarmierend, sondern weist vor allem darauf hin, dass eine sich vorwiegend an den Interessen und Anforderungen von Frauen orientierende Familienpolitik am Kernproblem vorbeigeht.
5.5 Familie
Ich möchte nun auf die Institution Familie, die zentrale gesellschaftliche Reproduktionseinheit, zu sprechen kommen. Dabei werden die weiteren Ausführungen zeigen, dass die Familie in ihrer bisherigen Form unter der Rahmenbedingung der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht mehr zu halten sein dürfte.
5.5.1 Kernfamilie
Im westlichen
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