Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Zusammenleben mit unterschiedlichen Partnern – unterstützen, was für moderne Gesellschaften unerlässlich zu sein scheint. Es umgeht die Problematik der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
, indem es
Familie zum Beruf
macht.
Grundlage des Familienmanagermodells könnte die folgende „Norm“ beziehungsweise
modifizierte verantwortete Elternschaft
sein, die die Nachwuchsarbeit als eine gesellschaftliche Kollektivaufgabe versteht, die prinzipiell von allen Bürgern anteilsmäßig in direkter oder indirekter Form zu erbringen ist:
Jedem steht es in unserer Gesellschaft frei, Kinder in die Welt setzen. Doch bitte beachten Sie: Die Welt ist bereits überbevölkert und hat ihre maximale Tragekapazität erreicht. Ein unkontrollierter Bevölkerungszuwachs sollte deshalb unbedingt vermieden werden. Beschränken Sie sich nach Möglichkeit auf maximal zwei Kinder pro Paar („ersetzet euch“ statt „mehret euch“). Der Staat wird Maßnahmen ergreifen und fördern, die für eine möglichst optimale Vereinbarkeit einer kleineren Familie mit bis zu zwei Kindern mit einem Beruf und für einen relativ fairen Familienlastenausgleich sorgen werden.
Allerdings ist die Gesellschaft auf eine insgesamt bestandserhaltende Reproduktion angewiesen. Deshalb ist es in unserer Gesellschaft zusätzlich Ihre Aufgabe, als Paar zwei Kinder aufzuziehen, als Einzelperson ein Kind. Damit leisten Sie Ihren Beitrag zu einer bestandserhaltenden gesellschaftlichen Reproduktion. Sie müssen das aber nicht selbst tun, sondern Sie können die Aufgabe zum Teil oder in Gänze anderen Fachleuten überlassen. Dafür müssen Sie dann aber regelmäßig einen bestimmten Betrag abführen, damit diese das auch in der entsprechenden Qualität für Sie tun können.
Wenn es laut Präferenzmodell (siehe Abschnitt
Alternative Fertilitätstheorien
auf Seite → ) Frauen jedes Qualifikationsniveaus gibt, die lieber eine größere Familie gründen würden als einer Erwerbsarbeit nachzugehen (Hakim 2005; Bertram/Rösler/Ehlert 2005: 27ff.), dann ist die grundsätzliche Nichtkommerzialisierbarkeit dieser für unsere Gesellschaft so eminent wichtigen Familienarbeit nicht mit den Prinzipien der Geschlechtergleichberechtigung vereinbar, weil sonst solche Frauen in ihrer Lebensplanung massiv benachteiligt werden.
Im Abschnitt
Systemflexibilität
auf Seite → wurde darauf hingewiesen, dass moderne Organisationssysteme ihre Systemstrukturen bereits aus ihrem Selbsterhaltungsinteresse heraus immer weiter flexibilisieren werden, denn hierdurch können sie ihre Anpassungsfähigkeit an die Markterfordernisse und damit ihre Überlebensfähigkeit signifikant erhöhen. Sie operieren in dieser Hinsicht aus einem Eigeninteresse heraus. Allerdings wirkt sich dieser Prozess auch unmittelbar auf die Mitarbeiter der Unternehmen aus, denn nun müssen auch diese in ihrer Lebensplanung immer flexibler werden (Sennett 2007), was aber mit deren natürlichen Reproduktionsinteressen kollidiert, da beim Aufziehen von Nachwuchs nicht Flexibilität, sondern ganz im Gegenteil dazu vor allem Verlässlichkeit verlangt wird. Auch aus diesem Grund dürfte die zukünftige Erweiterung der vorhandenen Familienmodelle um ein Familienmanagermodell für Mehrkindfamilien geradezu unerlässlich sein.
5.6 Gründe für den demographischen Wandel
Die Ursachen des demographischen Wandels werden in meinen Büchern „
Land ohne Kinder
“, „
Die Familienmanagerin
“, „
Hurra, wir werden Unterschicht!
“ und „
Familie als Beruf
“ (Mersch 2006b; Mersch 2006a; Mersch 2007a; Mersch 2008) im Detail erörtert. Ich möchte an dieser Stelle zwei Gründe exemplarisch herausgreifen und damit dann auch die wichtigsten Ergebnisse des vorliegenden Kapitels noch einmal zusammenfassen.
5.6.1 Geringes und ungleiches Reproduktionsinteresse
Seit der allgemeinen Verfügbarkeit moderner Kontrazeptiva lassen sich Paarung und Fortpflanzung präzise voneinander trennen. In der Folge hat sich das menschliche Reproduktionsinteresse von einem machtvollen biologischen Trieb in eine ökonomisch abschätzbare Größe gewandelt.
Gleichzeitig wurde damit die berufsorientierte weibliche Emanzipation ermöglicht. In unserer Gesellschaft gilt nun die Norm, dass sowohl Frauen als auch Männer einer Erwerbsarbeit nachgehen und sich eventuelle Familienarbeiten dann paritätisch teilen.
Dies hat eine ganze Reihe bemerkenswerter Konsequenzen:
Kinder haben in modernen Gesellschaften fast ausschließlich nur noch einen Konsumnutzen.
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