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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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einerseits richtig, aber es gibt noch einen viel wesentlicheren Unterschied: Im ersten Fall handelt es sich um eine dominante, im zweiten um eine Gefallen-wollen-Kommunikation.
    Denn wenn Sie kochen, bestimmen Sie, was auf den Tisch kommt und vor allem auch, wieviel. Sie kennen ungefähr den Appetit Ihrer Familie und können dementsprechend einkaufen. Meist kochen Sie etwas mehr als notwendig wäre, aber im Grunde bleibt nie viel übrig.
    Beim Restaurant sieht das ganz anders aus. Zunächst wählen Sie als Gäste das Lokal. Vielleicht wird es das am Ende Ihrer Straße sein, vielleicht aber auch ein ganz anderes. Es soll ja nicht nur gut schmecken, sondern auch das Ambiente sollte stimmen.Im Lokal legt man Ihnen zunächst eine Karte vor, aus der Sie wählen: die klassische Gefallen-wollen-Kommunikation.
    Das Problem hierbei ist nun: Der Gastwirt weiß nie, wie viele Gäste am Abend kommen werden. Und er kennt natürlich auch nicht deren Präferenzen. Beispielsweise könnte er heute besonders viel frischen Fisch eingekauft haben, und wenn Sie dann die einzige Person sind, die sich am Abend für Fisch entscheidet, dann wird er möglicherweise sogar einen Großteil der Ware entsorgen müssen.
    Dieses Problem kennt praktisch jeder Händler. Einerseits möchte er, dass die Kunden sofort kaufen und nicht seinen Laden aufgrund von Lieferzeiten gleich wieder verlassen, andererseits möchte er aber auch nicht unnötig lange auf seiner Ware sitzen bleiben.
    Auch kann es eine ganze Menge Unwägbarkeiten geben. Wenn Sie beispielsweise auf einem Markt Äpfel und Birnen anbieten, jeweils ungefähr 50 Prozent Ihres Angebots, und am Morgen wird bekannt, dass irgendwo in der Umgebung ein Kind ins Krankenhaus eingeliefert wurde, weil es einen Apfel einer bestimmte Sorte gegessen hat – genau die, die Sie vorzugsweise anbieten –, dann kann es Ihnen passieren, dass Sie an dem Tag keinen einzigen Apfel verkaufen und an den Folgetagen ebensowenig, woraufhin Sie ihre gesamtes Apfelsortiment entsorgen müssen.
    Eine präzise Kapazitätsplanung ist also bei der Gefallen-wollenKommunikation nicht immer möglich. Stattdessen führt sie häufig zu Überkapazitäten und damit zu Verschwendung 180 .
    Ähnlich sieht es in der Natur bei der Dimensionierung männlicher Sexualorgane aus. Bei Arten mit Haremsbildung können die Männchen die Häufigkeit zukünftiger Kopulationen relativ präzise abschätzen. Auch kann es dann zu keiner Spermienkonkurrenz kommen, weswegen sie sich eher kleine, an den recht genau abschätzbaren Bedarf angepasste Hoden leisten können.
    Verhalten sich die Weibchen dagegen promisk, sollte ein Männchen möglichst allzeit bereit sein, denn mit etwas Glück könnte es an einem Tag vielleicht sogar dreißig oder mehr Kopulationen mit verschiedenen Weibchen haben. In solchen Konstellationen ist die Leistungsfähigkeit dermännlichen Hoden eher am maximalen Bedarf auszurichten. Auch ist dabei die nun stets mögliche Spermienkonkurrenz zu berücksichtigen.
    Bei technischen Produkten gibt es weitere Formen der Verschwendung, zum Beispiel der Einbau möglichst vieler, manchmal kaum genutzter Funktionen. Im Prinzip ist die Situation mit der des Gastwirts vergleichbar: Da der Anbieter meist nicht weiß, welche Funktionen der Anwender nutzen möchte – und dieser ja vielleicht anfänglich selber nicht –, baut er lieber gleich möglichst viele ein.
    Auch kann ein besonders cooles und aufwendiges Design (so etwas wie „Pfauenschweife“ also) manchmal für höhere Marktanteile, aber eben auch für eine zusätzliche Verschwendung sorgen.
    Und schließlich gibt es noch die Entwicklung unbenötigter Funktionen und Produkte, sogenannter Flops. Denn im Rahmen der Gefallen-wollenKommunikation ist Kreativität gefragt, das heißt, das ständige Suchen nach neuen Geschäftsoptionen und gegebenenfalls nicht besetzten Nischen. Und natürlich dürfte dann auch mancher Fehlgriff darunter sein.
    Auf der anderen Seite werden auf diese Weise viele Bedürfnisse erst geschaffen: Die Märkte reagieren auf Erwartungen von Konsumenten, differenzieren sich durch neue Produkte und Dienstleistungen aus und schaffen hierdurch wiederum neue Erwartungen. So erfinden die Märkte – beziehungsweise die auf ihnen anbietenden Organisationssysteme – das moderne Leben mit all seinen Annehmlichkeiten und Verschwendungen ganz allein aus sich heraus.
    Konrad Lorenz kommentiert diese Entwicklung wie folgt (Lorenz 2005: 37):
    Selbst wenn man die unberechtigt

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