Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
Vom Netzwerk:
spielen und religiöse Kulte zu begründen. Dies mögen keine bewussten sexuellen Strategien sein, aber die hinter „Leistung“ und „Status“ steckenden Motivationen – selbst deren Bevorzugung vor materiellen Quellen – wurden wahrscheinlich durch sexuelle Selektion geprägt. Allerdings wird das während der Partnerwerbung attraktiv erscheinende verschwenderische Gebaren möglicherweise nicht mehr gewürdigt, wenn die Nachkommen da sind – elterliche Pflichten und sichtbares Werbungsverhalten vertragen sich nicht.
    Dem Handicap-Prinzip zufolge interessiert sich die sexuelle Selektion in jedem Falle mehr für die ungeheuren Ausmaße der Verschwendung als für ihre exakte Form. Haben die zur Entscheidung führenden Mechanismen der sexuellen Auswahl einem sexuellen Signal erst einmal die nötige Information über die Fitness entnommen, ist alles andere an diesem Signal reine Geschmackssache. Dieses Zusammenspiel von Geschmack und Verschwendung lässt der Evolution viel Freiheit. Man könnte sogar jede Spezies mit sexualspezifischem Schmuck als eine Spielart sexuell selektierter Verschwendung betrachten. Ohne diese vielfältigen Formen sexueller Verschwendung wäre unser Planet nicht von so vielen Spezies bevölkert.
    Ganz ähnlich sieht es in der Unternehmenswelt aus. Auf speziellen Messen präsentieren die jeweiligen Hersteller und Marken ihre Produkte, als handele es sich um einmalige Sehenswürdigkeiten. Im Einzelhandel oder eleganten Einkaufszentren liegt die Ware dann – lichtbestrahlt und mit einem auffälligen Design (produktspezifischem Schmuck) versehen – in einladenden Regalen aus. Gleichzeitig weisen aufwendige Werbekampagnen auf die angeblichen Vorzüge der Produkte hin, wobei nicht selten ein sexueller Bezug hergestellt wird (das heißt, es werden vorgeblich reproduktive Vorteile reklamiert). Die Hauptverwaltungen der Unternehmen selbst residieren in protzigen Bürogebäuden, die Macht, Stärke und Kompetenz signalisieren sollen (Voland 2007: 133):
    Pracht entsteht folgerichtig umso wahrscheinlicher, je drückender die Konkurrenz ist. Die größten und teuersten Bankenhochhäuser werden dort gebaut, wo schon die der Konkurrenz stehen.
    Im Rahmen der Gefallen-wollen-Kommunikation geht es zunächst um die Erlangung von Aufmerksamkeit. Dabei spielt der Preis oftmals nur eine untergeordnete Rolle. Im Gegenteil: Je teurer ein Signal ist, desto zweifelsfreier belegt es die Qualität des Absenders (Voland 2007: 132).
    Auf dieses Bemühen, Aufmerksamkeit zu erlangen und gefallen zu wollen, das heißt, selektiert zu werden, dürfte auch ein Großteil der menschlichen Kulturleistung zurückzuführen sein (Voland 2007: 133f.):
    Die menschliche Kulturgeschichte ist nicht zuletzt eine grandiose Geschichte der Übertreibung durch teure Signale. Man besinne sich für einen Moment auf all das, was die Geschichte und die Leistungen der menschlichen Kultur symbolisiert, auf die materiellen, künstlerischen und philosophischen Hinterlassenschaften. Was erklärt eigentlich die Unescozum Weltkulturerbe? Alles in allem kann man sich dem Schluss nicht entziehen, dass hier durchweg Dinge unter Schutz gestellt werden, deren hervorragendste Eigenschaft es war, zwar unpraktisch, aber unglaublich teuer gewesen zu sein. (…) Kulturgeschichte ist nicht zuletzt Ausfluss eines ewigen Wettstreits um Aufmerksamkeit.
7.1.2 Wirtschaft
    Stellen Sie sich vor, Sie seien Hausfrau und Mutter einer sechsköpfigen Familie und wollten für Ihre Lieben etwas zum Abendessen kochen. Sie entscheiden sich für Königsberger Klopse mit Kartoffeln.
    Doch Ihre Kinder machen Ihnen deutlich, dass sie lieber Hamburger gegessen hätten und stellen Ihnen die Frage, warum es nicht auch McDonalds hätte sein können. Sie sind enttäuscht. Schließlich geht Ihr Ehemann dazwischen und spricht ein Machtwort: „Schluss jetzt Kinder. Es wird gegessen was auf den Tisch kommt! Und wehe ich sehe hier noch irgendwo ein langes Gesicht!“
    Und nun stellen Sie sich vor, Ihre Familie würde an Ihrem Geburtstag abends zu einem guten Italiener gehen. Sie bestellen Dorade Royal, Ihr Mann ein Steak, Ihre Jüngste Spaghetti mit Tomatenketchup (auf Wunsch statt der sonst üblichen, aus frischen Tomaten hergestellten Sauce), Ihre beiden Söhne Scaloppine Milanese und Ihre Älteste ein fettarmes, vegetarisches Gericht.
    Was unterscheidet die beiden Situationen? Möglicherweise werden Sie jetzt sagen: Einmal koche ich, ein anderes Mal lasse ich kochen.
    Dies ist

Weitere Kostenlose Bücher