Evolution, Zivilisation und Verschwendung
gesehen haben, dürfte sich bei einem kompetenzneutralen Reproduktionsinteresse im Regelfall dann auch das Prinzip der natürlichen Selektion einstellen. Für dieses gilt: Wer besser an den Lebensraum angepasst ist und mehr Ressourcen erlangt, hinterlässt im Mittel auch mehr Nachkommen.Übertragen auf unsere Verschwendungsproblematik bedeutet das: Wer in der Lage ist, mehr Energie zu verbrauchen und Unordnung zu schaffen, wird mehr Nachkommen als andere haben, und diese Nachkommen werden dann im Mittel ebenfalls mehr Energie verbrauchen und Unordnung schaffen als andere. Eine Population optimiert sich auf diese Weise gewissermaßen wie von selbst in Richtung eines möglichst hohen Energieverbrauchs beziehungsweise der Schaffung von größtmöglicher Unordnung
Natürlich wird sie dabei immer wieder an Grenzen stoßen, etwa aufgrund des Widerstands anderer Lebewesen oder einer generellen Begrenztheit der Ressourcen. Eine Löwenpopulation kann beispielsweise nicht mehr Zebras fressen als in ihrem Lebensraum tatsächlich vorhanden sind.
Der Mensch jedenfalls hat historisch betrachtet alle neu entstandenen Ressourcenerschöpfungen irgendwann technologisch überwinden können (Neirynck 2006). In einem originär endlichen Lebensraum (die Erde) dürfte dies jedoch nicht beliebig fortsetzbar sein: Früher oder später wird die Menschheit dann doch ihre Grenzen des Wachstums erreichen.
Franz Josef Radermacher äußert sich im Geleitwort von „Der göttliche Ingenieur“ (Neirynck 2006) zu der dort vertretenen Sichtweise:
Der Mensch ist in dieser Sicht ein Lebewesen, das immer effizienter dazu beiträgt, in einem globalen Sinne Ordnung zu zerstören und Energien zu verbrauchen, und zwar als Folge seines – in einer längerfristigen Perspektive hoffnungslosen – Bemühens, für sich lokal kurzfristig das zu ermöglichen, was wir jeweils als ein erfülltes menschliches Leben bezeichnen.
Sozialer Erfolg ist in menschlichen Gesellschaften üblicherweise mit einem höheren Einkommen verbunden, und damit mit höheren Verfügungsrechten über Ressourcen und auch Energie. Wer mehr verdient, kann sich beispielsweise all die neuen technologischen Errungenschaften leisten, die das moderne Leben für uns bereithält.
Genügt das Reproduktionsverhalten einer Gesellschaft also den Evolutionsprinzipien, dann wird höherer Ressourcen- und Energieverbrauch mit einer höheren Zahl an (mehr Ressourcen verbrauchenden) Nachkommen belohnt, ganz so wie es in der Natur auch ist. Genügt das Reproduktionsverhalten aber nicht diesen Prinzipien, dann kann die Gesellschaft nicht weiter evolvieren. Aus ökologischer Sicht befinden wir uns folglich in einer Zwickmühle.
Es stellt sich somit die Frage, ob sich auch Belohnungssysteme vorstellen lassen, die für Menschen tatsächliche Anreize liefern, aber dennoch nicht zu einem stetig höheren Energie- und Ressourcenverbrauch führen. Letztlich ist dies ein noch ungelöstes Problem.
Im Abschnitt
Wachstum
auf Seite → wurde gezeigt, dass evolutionsfähige (selbsterhaltende und selbstreproduktive) Systeme generell zu Wachstum tendieren, und zwar sowohl bezüglich ihrer individuellen Größe als auch den Populationszahlen. Auch dies demonstriert die generelle Neigung evolutiver Prozesse, vorhandene Ressourcen zu nutzen und langfristig restlos zu verbrauchen.
7.3 Klimakiller Internet
Bislang herrschte allgemein die Vorstellung vor, die Computertechnologie könnte in ein ressourcenschonendes Zeitalter führen, da die Menschen dann irgendwann nicht mehr täglich zu ihren Arbeitsplätzen fahren oder auf kostspielige Geschäftsreisen gehen müssten, sondern die meisten Tätigkeiten gleich von zu Hause aus abwickeln könnten, also ganz ähnlich so, wie man sich auch vorstellte, die elektronische Datenverarbeitung führe schlussendlich zum papierlosen Büro. Das genaue Gegenteil trat ein.
So wird dann auch längst behauptet, die durch das Internet verursachte CO 2 Belastung entspräche bereits heute dem des gesamten weltweiten Flugverkehrs ( Welt.de 2007).
Andere Berechnungen ergaben, dass bereits im Jahr 2005 rechnerisch weltweit rund zwanzig Eintausend-Megawatt-Großkraftwerke ausschließlich zur Deckung des Strombedarfs des Internets und der zugehörigen Datenzentren benötigt wurden. Ferner habe sich der Stromverbrauch des World Wide Webs zwischen 2000 und 2005 verdoppelt. Dies dürfte kaum überraschen, denn aktuell verdoppelt sich die vom Internet transportierte Datenmenge etwa alle vier Monate.
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