Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Weibchen könnten auch weiterhin nur genau 2.000 Jungen zur Welt bringen und aufziehen, während die Männchen jetzt in der Lage wären, für insgesamt 2.667 Jungen Energie zu beschaffen. Da sich alle Individuen auch tatsächlich fortpflanzen wollen, wenn die dafür erforderliche Energie vorhanden ist (einheitliches Reproduktionsinteresse!), wird es zwangsläufig zu einer sich verstärkenden Konkurrenz – und Selektion – unter den Männchen um den Zugang zu den Weibchen kommen.
4.14 Paarungssysteme
Unter dem Begriff
Paarungssystem
werden Verhaltensweisen zusammengefasst, die mit dem Erwerb von Fortpflanzungspartnern zu tun haben (Weber 2003: 39). In der Natur spielen einerseits ökologische Faktoren und die damit verbundene räumliche Verteilung von Weibchen, andererseits auch die Unterschiede in den Elterninvestments eine Rolle. Da der erste Punkt speziell in modernen, dichtbesiedelten menschlichen Gesellschaften kaum eine Rolle spielen dürfte, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf den Zusammenhang zwischen Paarungssystem und Elterninvestments.
Grundsätzlich werden monogame, polygame und promiskuitive Paarungssysteme unterschieden (Weber 2003: 40):
In einem
monogamen
Paarungssystem haben beide Geschlechter während der Fortpflanzungsperiode nur einen Fortpflanzungspartner. Oft kümmern sich beide Elternteile gemeinsam um den Nachwuchs.
Daneben gibt es drei Formen der
Polygamie
:
Bei der
Polygynie
(
Haremsbildung
) sichert sich ein Männchen während der Brutsaison Zugang zu mehreren Weibchen. Die Pflege des Nachwuchses ist üblicherweise Aufgabe der Weibchen.
Bei der
Polyandrie
hat ein Weibchen mehrere Männchen als Sexualund Sozialpartner. Die Pflege des Nachwuchses ist meist Aufgabe der Männchen.
Die
Polygynandrie
vereint mehrere Männchen und Weibchen zu einer Fortpflanzungsgemeinschaft. Alle Partner der Gemeinschaft sorgen mehr oder weniger gemeinsam für den Nachwuchs.
Bei der
Promiskuität
haben beide Geschlechter zahlreiche Sexualpartner und es werden keine Paarbindungen eingegangen.
Bei Säugetieren dominieren Monogamie und Polygynie; Polyandrie ist dagegen sehr selten vorzufinden (Weber 2003: 43).
Die Art des Paarungssystems und die Form der Brutpflege stehen in Bezug zur sexuellen Selektion und haben Auswirkungen bis hin auf die Körperstruktur der Geschlechter. So tritt bei Monogamie meist nur ein geringer Sexualdimorphismus auf, während er bei Polygamie sehr ausgeprägt sein kann.
Bei starker Haremsbildung sind die Männchen meist wesentlich größer als die Weibchen, denn nun kommt es in erster Linie darauf an, den Harem gegen andere männliche Konkurrenten zu verteidigen. Im Gegenzug können die Hoden der Männchen verhältnismäßig klein sein, da es zu keiner Spermienkonkurrenz innerhalb der Harems kommt. Entsprechende Verhältnisse sind beispielsweise bei den Gorillas vorzufinden.
Schimpansen leben dagegen promisk. Bei ihnen paart sich ein Weibchen häufig kurz hintereinander mit mehreren Männchen (bis zu 60-mal am Tag), wodurch es zur sogenannten
Spermienkonkurrenz
kommen kann: Die Spermien verschiedener Männchen konkurrieren um den Zugang zur Eizelle des Weibchens. Je größer der Hoden ist, desto mehr Spermien könnenerzeugt werden und desto größer ist folglich die Befruchtungswahrscheinlichkeit eines Männchens. Für eine Befruchtung bedarf es bei Gorillas im Durchschnitt nur zwei Kopulationen, beim Menschen ist dafür im Mittel 60 mal Sex nötig, beim Schimpansen sogar 1.500 mal.
Diese Zahlen deuten allerdings an, dass als Erklärung für die unterschiedliche relative Hodengröße bei Gorilla, Mensch und Schimpanse nicht nur die Spermamenge und damit die Spermienkonkurrenz, sondern auch das unterschiedliche Selektionsprinzip der verschiedenen Arten in Frage kommt. Kann ein Gorillamännchen seine Spermienmenge gezielt auf seinen Bedarf hin ausrichten, so muss ein Schimpansenmännchen quasi allzeit bereit sein, denn es könnte ja immer noch ein weiteres Weibchen auftauchen, was befruchtet werden möchte. Auch hier zeigt sich: Bei der Gefallen-wollenKommunikation richtet sich das Angebot (die Spermadosis) im Gegensatz zur dominanten Kommunikation am zu erwartenden maximalen Bedarf der Gegenseite aus. Hierdurch dürfte es zwangsläufig zu Überdimensionierungen und damit zur Verschwendung kommen.
Das jeweils bevorzugte Paarungssystem hat ganz entscheidend mit der Berücksichtigung der beiderseitigen Selektionsinteressen zu tun. Bei der Haremsbildung werden die
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