Evolution, Zivilisation und Verschwendung
müssen sie beim Menschen geistige Kompetenzen unterscheiden können. Die Wahrnehmungs- und Unterscheidungsmechanismen des Beobachters sollten deshalb mit den mentalen Fähigkeiten des Gesprächführers jederzeit Schritt halten können. Man könnte in diesem Zusammenhang regelrecht von einem in einen Selbstläuferprozess mündenden geistigen Wettrüsten beider Geschlechter sprechen.
Die auf der asymmetrischen Verteilung der Elterninvestments beruhende sexuelle Selektion kann also ganz erstaunliche Dinge verbringen. Teilte man dagegen die Elterninvestments paritätisch zwischen den Geschlechtern auf, dann entledigte man sich damit auch der sexuellen Selektion und vielen Vorteilen der sexuellen Fortpflanzung insgesamt (siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt
Wozu gibt es Sexualität?
auf Seite → ).
An dieser Stelle möchte ich anhand eines kleinen Beispiels noch einmal drei Dinge verdeutlichen:
Die natürliche Selektion ist eine unmittelbare Folge des Fortpflanzungsinteresses.
Die getrenntgeschlechtliche Fortpflanzung in Verbindung mit der unterschiedlichen Aufteilung der Elterninvestments zwischen den Geschlechtern kann für eine beschleunigte Evolution sorgen, und zwar selbst dann, wenn die Populationsgröße stets unverändert bleibt oder sogar zeitweilig zurückgeht. Die sexuelle Fortpflanzung erlaubt also Evolution, ohne dass ständig mehr Nachkommen in die Welt gesetzt werden müssen, als der Lebensraum insgesamt ernähren kann (wie es von Darwin ursprünglich einmal für die natürliche Selektion postuliert worden war).
Auf Dauer dürfte dies aber nur dann funktionieren, wenn die Partnerwahlpräferenzen der wirklichen Fitness der Fortpflanzungspartner entsprechen 111 .
Beispiel:
Stellen wir uns eine getrenntgeschlechtliche Population aus jeweils 1.000 Männchen und Weibchen mit den folgenden Eigenschaften und Verhaltensweisen vor:
Alle Individuen sind in der Lage, sich selbst zu versorgen.
Sowohl Männchen wie Weibchen möchten sich so häufig fortpflanzen, wie es ihnen möglich ist (einheitliches Reproduktionsinteresse).
Alle Fortpflanzungsaktivitäten werden ausschließlich von den Weibchen erbracht. Allerdings benötigen die Weibchen dafür zusätzliche Energie (für sich und ihre Jungen), die vollständig von den Männchen aufzubringen ist.
Ein Weibchen kann im Laufe seines Lebens maximal zwei Jungen gebären und großziehen.
Ein Männchen muss zunächst die für die Fortpflanzungsaktivitäten des Weibchens erforderliche zusätzliche Energie vollständig beschaffen. Mit anderen Worten: Es muss den Weibchen seine Fitness beweisen. Hat es die geforderte Energiemenge angesammelt, bekommt es rein zufällig ein noch freies Weibchen zugeordnet, mit welchem es sich dann paaren darf.
Die einzelnen Individuen verfügen über drei verschiedene, genetisch bedingte Kompetenzniveaus: Hoch, mittel oder niedrig, wobei jeweils genau ein Drittel (= 33,33 Prozent) der Männchen und Weibchen über eine hohe, mittlere oder niedrige Kompetenz verfügt.
Die Vererbung der Kompetenzen erfolgt so: Ein Junges erbt mit einer jeweils 30-prozentigen Wahrscheinlichkeit entweder die Kompetenz des männlichen oder weiblichen Elterntiers. Mit einer 40-prozentigen Wahrscheinlichkeit erlangt es seine Fähigkeiten dagegen durch eine zufällige Mutation. Es hat dann anteilsmäßig eine beliebige sonstige Kompetenz.
Mit anderen Worten: Mit einer weiteren 13,33-prozentigen Wahrscheinlichkeit hat das Junge aufgrund einer Mutation eine hohe, mittlere oder niedrige Kompetenz.
Männchen mit einer hohen Kompetenz sind im Laufe ihres Lebens in der Lage, die erforderliche zusätzliche Energie für vier Jungen zu beschaffen, solche mit mittlerer Kompetenz für zwei, und solche mit niedriger Kompetenz für gar keine. Mit anderen Worten: Männchen mit hoher Kompetenz würden maximal vier Jungen haben, solche mit mittlerer Kompetenz maximal zwei und solche mit niedriger Kompetenz keine.
Geht man davon aus, dass jeweils die Hälfte aller Nachkommen männlich beziehungsweise weiblich ist, dann bestünde auch die nächste Generation unserer fiktiven Population wieder aus genau 1.000 Männchen und 1.000 Weibchen. Allerdings hätte sich jetzt das Verhältnis der Kompetenzen erheblich verschoben, denn nun verfügte die Hälfte (= 50 Prozent) aller Individuen über eine hohe Kompetenz, ein Drittel (= 33,33 Prozent) über eine mittlere und nur noch 16,67 Prozent über eine niedrige Kompetenz.
Hieraus ergäbe sich das folgende Problem: Die 1.000
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