Evolution, Zivilisation und Verschwendung
der Lage, die Geschlechterrollen und die Intensität des Paarungswettbewerbs vorherzusagen:
Das Geschlecht, welches die geringeren Elterninvestments erbringt,
konkurriert
untereinander um die Fortpflanzungspartner.
Das Geschlecht mit dem höheren elterlichen Aufwand wählt (
selektiert
) die Fortpflanzungspartner unter den konkurrierenden Individuen nach bestimmten Kriterien aus.
Bei vielen Tierarten und auch dem Menschen belastet die Fortpflanzung die Weibchen ungleich stärker als die Männchen (Wuketits 2002b: 45) 107 . Erstere sind dann bei der Wahl der Sexualpartner selektiver, während letztere um die Weibchen konkurrieren. Darwin entwickelte das Konzept der
sexuellen Selektion
und versuchte damit zu verdeutlichen, dass die Auswahl der Männchen seitens der Weibchen und die damit einhergehende Konkurrenz unter den Männchen eine große Bedeutung in der Evolution hat (Wuketits 2002b: 39).
4.13 Fitnessindikatoren
Im Rahmen der sexuellen Selektion wählen die Weibchen bevorzugt Männchen mit bestimmten Merkmalen (
Fitnessindikatoren
) aus, die eine besonders große genetische Fitness des Sexualpartners erwarten lassen (Miller 2001: 148). Durch die Auswahl desjenigen Männchens mit der besten genetischen Fitness wird die Fitness der Nachkommen erhalten oder sogar erhöht 108 .
Unter
Sexualdimorphismen
versteht man Unterschiede im Erscheinungsbild der Geschlechter. Die entsprechenden Merkmale werden
sekundäre Geschlechtsmerkmale
genannt, im Gegensatz zu den
primären Geschlechtsmerkmalen
, nämlich den inneren und äußeren Fortpflanzungsorganen. Auch ein auffälliger Größenunterschied zwischen den Geschlechtern gilt als Sexualdimorphismus.
Bei vielen Vögeln und Säugetieren sind die Männchen größer als die Weibchen. Zusätzlich besitzen sie
Imponierorgane
(zum Beispiel die Mähne bei Löwen oder das Geweih bei Hirschen), die den Weibchen weithin sichtbar die Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht und dessen vermeintliche Stärke signalisieren. Besonders ausgeprägte Imponierorgane sind zwar häufig miteinem größeren Reproduktionserfolg verbunden, nicht selten aber auch mit einer niedrigeren Lebenserwartung, denn schließlich stellen sie eine zusätzliche Last (ein sogenanntes
Handicap
) dar.
Das
Handicap-Prinzip
(siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt
Handicap-Prinzip in menschlichen Gesellschaften
auf Seite → ) ist in der Lage, den Zusammenhang zwischen Merkmalen, welche die allgemeine Fitness eher herabsetzen, und der reproduktiven Fitness (wichtig für die
sexuelle Selektion
) zu erklären: Je auffälliger ein Männchen ist, umso mehr setzt es sich der Gefahr durch Fressfeinde und Nahrungskonkurrenten aus. Ein Männchen, das sich solche Auffälligkeiten beziehungsweise ein solches
Imponiergehabe
leisten kann, muss also in den Augen eines Weibchens besonders leistungsfähig sein. Ein stark ausgeprägtes Imponierorgan deutet dem Weibchen somit die genetische Stärke des Männchens an. Für die Weibchen handelt es sich dabei um
Fitnessindikatoren
.
Bei manchen Arten testen die Weibchen die genetische Fitness der Männchen direkt über deren physische Leistungsfähigkeit während sogenannter Balzspiele (paarweiser Balztanz, Balzflug, Balzkampf). Da dabei auch die Weibchen eine entsprechend hohe Leistungsfähigkeit besitzen müssen, summieren sich in diesem Szenario die Stärken der beiden Geschlechter auf.
In der Regel wird sich ein Weibchen nicht einfach nur mit schönem Schein oder „billigem Gerede“ zufriedengeben, sondern vom Männchen einen Beweis für dessen vermeintliche Fitness verlangen. Und der beste Beweis ist nun üblicherweise der, ein Signal hervorzubringen, welches auch tatsächlich eine hohe Fitness erfordert (Miller 2001: 145). In der Natur handelt es sich dabei meist um irgendeine Art von Verschwendung (Miller 2001: 147):
Große Verschwendung ist dem Handicap-Prinzip zufolge eine notwendige Eigenschaft sexueller Werbung. (…) In der Natur bietet nur protzige Verschwendung eine Garantie auf ehrliche Information.
So ähnlich sieht es auch in menschlichen Gesellschaften aus (Miller 2001: 145):
Wo niemand den tatsächlichen Reichtum des anderen wirklich kennt, ist demonstrativer Konsum das einzig zuverlässige Signal von Wohlstand.
Die Form des Aufwands spielt dabei keine große Rolle, allein die ungeheure Verschwendung zählt. Als besonders überzeugend und romantisch gelten meist gerade solche Taten, die für den Gebenden sehr kostspielig sind, für den Empfänger
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