Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
Vom Netzwerk:
aber kaum materielle Vorteile bringen (Miller 2001: 151).
    Nüchtern betrachtet haben wir es bei der sexuellen Selektion mit einer Käufer-Verkäufer-Interaktion zu tun, bei der den Männchen die Rolle des Verkäufers und den Weibchen die des Käufers zukommt („Der Kunde ist König“).
    Männchen wollen möglichst oft an möglichst viele Weibchen verkaufen, während Weibchen nur hin und wieder an einem Kauf interessiert sind und dann natürlich auf die Qualität achten. Entsprechend unterschiedlich investieren die beiden Geschlechter in Partnerwerbung und Elternschaft (Miller 2001: 106):
    Männer investieren im Allgemeinen mehr Zeit, Energie und Risiko in die sexuelle Partnerwerbung und weniger in die Elternschaft, sind in Beziehungen – mit einer größeren Anzahl von Partnerinnen – früher zur Kopulation bereit und zeigen sich zumindest kurzfristig weniger wählerisch bei ihren Sexualpartnerinnen. Frauen investieren meist weniger in die Partnerwerbung und viel mehr in die Elternschaft, haben eine geringere Bereitschaft, mit vielen Partnern zu kopulieren, und sind dabei wählerischer.
    Insgesamt stellt sich die sexuelle Selektion wie folgt dar:
    Männchen erbringen meist die deutlich geringeren Elterninvestments als Weibchen, dafür betreiben sie mehr Partnerwerbung. Hierdurch können sie die Zahl ihrer Nachkommen fast beliebig steigern, während die Weibchen stets auf die eigene maximale Fertilität (Fekundität) beschränkt bleiben. Beim Menschen könnten einzelne Männer theoretisch mehrere tausend leibliche Kinder haben, während bei Frauen das Maximum nicht deutlich über zehn liegt.
    Durch die bevorzugte Selektion von Männchen mit besonders positiven Fitnessindikatoren setzen sich verstärkt Gene mit einer sehr guten Anpassung an den Lebensraum und nur wenigen nachteiligen Mutationen durch, und zwar selbst dann, wenn alle Weibchen die gleiche Zahl an Nachkommen haben.
    Bei der sexuellen Selektion handelt es sich um eine direkte Rückkopplung zwischen den Geschlechtern: Weibchen wählen bevorzugt Männchen mit bestimmten Eigenschaften, woraufhin besonders viele Nachkommen gezeugt werden, bei denen die Männchen ebenfalls diese Eigenschaften besitzen und die Weibchen die gleichen Partnerwahl-Präferenzen haben. Dies ermöglicht beschleunigte
Selbstläuferprozesse
(Miller 2001: 83 ff.), obwohl vielleicht gar kein hoher Selektionsdruck seitens des Lebensraums besteht. Diesexuelle Selektion erlaubt also deutlich schnellere Anpassungsprozesse, in deren Rahmen die Männchen eine herausragende Rolle spielen. Es sollte an dieser Stelle aber noch einmal betont werden, dass all dies nur bei asymmetrischer Verteilung der Elterninvestments funktioniert.
    So scheint die Entwicklung des menschlichen Großhirns ohne den machtvollen Mechanismus der sexuellen Selektion kaum vorstellbar zu sein. Gemäß Thomas Junker bildet sich Intelligenz vor allem in der sozialen Interaktion aus (Junker 2006b: 59):
    Die Hauptaufgabe der Intelligenz besteht in der Lösung sozialer Probleme. Eine besondere Dynamik erhält dieser Prozess, da er vom Wettrüsten innerhalb der Gruppe vorangetrieben wird.
    Geoffrey F. Miller ist der Auffassung, der Wettstreit um die Fortpflanzung („sexuelle Selektion“) habe bei der Intelligenzbildung – speziell bei vielen kreativen Funktionen wie etwa der Musikalität – eine ganz entscheidende Rolle gespielt (Miller 2001) 109 .
    Die Entwicklung des menschlichen Großhirns unterscheidet sich in einem ganz wichtigen Punkt von den im Tierreich verbreiteten Imponierorganen 110 : Wenn männliche Pfauen etwa ihre Fitness über einen besonders ausgeprägten gefiederten Schweif dokumentieren, dann benötigen die Weibchen entsprechende Wahrnehmungs- und Intelligenzfunktionen (Nervensystem),um die jeweiligen Schweife ihrer möglichen Sexualpartner einordnen zu können. Ein besonders imposanter und farbiger Schweif setzt also nicht unbedingt eine höhere Gehirnleistung auf weiblicher Seite voraus. Es reicht, wenn die entsprechenden Wahrnehmungsfunktionen dort vorhanden sind.
    Ganz anders sieht es beim Menschen aus. Die mentalen Fähigkeiten eines möglichen Sexualpartners werden von der anderen Seite im Gespräch erkundet. Und das wird nur dann wirklich zufriedenstellend gelingen, wenn beide Seiten über ähnliche oder doch zumindest ausreichende geistige Kompetenzen verfügen. Während bei Tieren also die Gehirnfunktionen unter anderem der Wahrnehmung und Unterscheidung physischer Fitnessindikatoren dienen,

Weitere Kostenlose Bücher