Evolution, Zivilisation und Verschwendung
als heute. Frauen waren deshalb über weite Strecken ihres Lebens mit dem Gebären und Aufziehen von Kindern beschäftigt und dabei auf die männlichen Versorgungsleistungen angewiesen.
4.16 Muller’s Ratchet
Weil die Gene von Männchen mit ausgesprochen positiven Fitnessindikatoren eine besonders gute Anpassung an den Lebensraum versprechen und nur wenige nachteilige Mutationen aufweisen sollten, ist die sexuelle Selektion in der Lage, den genetischen Code besonders effizient von Mutationen zu bereinigen (Miller 2001: 123):
Jeder Sexualpartner ist Träger seiner eigenen Mutationen. Man sollte sich für den Partner mit den wenigsten schädlichen Mutationen entscheiden, denn die Nachkommen werden so die höchste zu erwartende Fitness erhalten, also die besten Chancen, zu überleben und sich fortzupflanzen. (…) Viele Biologen glauben inzwischen, dass die Partnerwahl eine Strategie ist, um den eigenen Nachkommen die bestmöglichen Gene mitzugeben.
Evolutionsbiologen betonen, hierbei handele es sich um einen entscheidenden Vorteil der sexuellen Fortpflanzung gegenüber der asexuellen, wobei sie insbesondere auf das Konzept der Muller’s Ratchet hinweisen (Stearns/Hoekstra 2005: 189).
Nehmen wir einmal an, die Individuen einer sich asexuell fortpflanzenden Spezies verfügten über minimal fünf nachteilige Mutationen. Dann gilt das Folgende:
Ein Selektionsdruck kann nur derzeit existierende Individuen in ihrer Reproduktionsfähigkeit begünstigen, zum Beispiel diejenigen mit fünf nachteiligen Mutationen.
Da fünf bereits das Minimum ist, würde auch die nächste Generation über mindestens fünf nachteilige Mutationen pro Individuum verfügen.
Durch Neumutationen könnte die Zahl der nachteiligen Mutationen pro Individuum mit der Zeit langsam anwachsen, aber nicht mehr sinken. Das ist die „Ratchet“. Ein Absenken des Minimums an nachteiligen Mutationen wäre nur durch Rückmutationen möglich. Solche sind aber extrem unwahrscheinlich und selten.
Bei der sexuellen Fortpflanzung könnten dagegen nachteilige Mutationen durch genetische Rekombination verloren gehen. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Weibchen aus der Menge der Männchen diejenigen bevorzugen, die offenbar besonders gut an den Lebensraum angepasst sind und über sehr wenige nachteilige Mutationen zu verfügen scheinen. Auch dies macht die Bedeutung der sexuellen Selektion auf Basis ungleicher Elterninvestments deutlich.
In dem im Abschnitt
Fitnessindikatoren
auf Seite → präsentierten Beispiel würden die Weibchen wohl auch aus diesen biologischen Gründen vorzugsweise die Männchen mit nachgewiesener hoher Kompetenz (Fitness) wählen, denn von ihnen ist anzunehmen, dass ihre Gene über ganz besonders wenige nachteilige Mutationen verfügen.
4.17 Paarungsverhalten als evolutionärer Vorteil
Ein Paarungssystem einer Spezies hat – grob gesprochen – zwei Aufgaben:
Für eine ausreichende Zahl an Nachkommen zu sorgen.
Erfolgsmerkmale der vorangegangen Generation möglichst optimal an die nächste weiterzugeben, oder anders ausgedrückt: vorhandene Kompetenzen zu erhalten.
Sind beide Bedingungen erfüllt, dann wahrt das Fortpflanzungsverhalten der Population das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Auf diese Weise wird die Anpassungsfähigkeit an den Lebensraum möglichst lange erhalten, so dass die Population eventuell sogar über viele Millionen Jahre fortbestehen kann.
Viele Paarungssysteme schließen einzelne Individuen von der direkten Fortpflanzung aus. Dies gilt im Prinzip schon für die sexuelle Fortpflanzung selbst, bei der die Männchen keinen eigenen Nachwuchs in die Welt setzen können. Bei Wölfen paaren sich nur die jeweiligen Alphatiere und bei Gorillas besitzen einige Männchen Harems mit mehreren Weibchen, während andere Männchen leer ausgehen. Offenbar kommt der Qualität des Nachwuchses im Rahmen von Paarungssystemen eine vorrangige Bedeutung zu.
Die Soziobiologie unterscheidet zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege, wie biologische Arten das genetische Überleben sichern (Wuketits 2002: 33ff.):
Die Produktion möglichst vieler Nachkommen, gleichsam nach der Devise „
Die Menge soll es machen
“. Dabei wird in jeden einzelnen Nachkommen wenig oder nichts investiert. Aufgrund einer statistischen Wahrscheinlichkeit bleibt der eine oder andere Nachkomme so lange am Leben, bis er sich selbst fortpflanzt. Bei dieser Strategie steht also die
Quantität
der Nachkommen im Vordergrund.
Diesen Weg
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