Evolution, Zivilisation und Verschwendung
bezeichnet man in der Soziobiologie als
r-Strategie
, wobei „r“ für die Wachstumsrate einer Population steht. r-Strategen sind gewissermaßen Glückspieler, die nicht wissen, wo sich die Ressourcen befinden, von denen sich die nächste Generation einmal ernähren soll (Uhl/Voland 2002: 32).
Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang auch vom Expansionswettbewerb gesprochen, und zwar insbesondere dann, wenn hohe Wachstumsraten für eine schnelle Expansion der Population sorgen, zum Beispiel, weil im Lebensraum noch keine Knappheit zu spüren ist (Voland 2007: 76f.). Es dominieren dann quantitative Fortpflanzungsstrategien.
Die Zeugung sehr weniger Nachkommen, die aber optimal betreut werden, sozusagen nach dem Motto: „
Jeder ist ein kostbares Gut, das es zu schützen gilt
“. Die Wahrscheinlichkeit, dass wenige sehr gut betreute Nachkommen das Fortpflanzungsalter erreichen, ist relativ hoch. Bei dieser Strategie steht also die
Qualität
der Nachkommen im Vordergrund.
Diesen Weg bezeichnet man in der Soziobiologie als
K-Strategie
. „K“ steht für die Tragekapazität (carrying capacity) eines Lebensraums. KStrategen leben in der Regel in einem stabilen Ökosystem und können durch entsprechende Betreuung sicherstellen, dass ihr Nachwuchs bis zur Geschlechtsreife heranwächst, konkurrenzfähig wird und seinen Lebensraum zu beherrschen lernt (Uhl/Voland 2002: 32).
Manchmal wird in diesem Zusammenhang auch vom Verdrängungswettbewerb gesprochen, und zwar insbesondere dann, wenn im Lebensraum die Grenzen des Wachstums erreicht sind, und ein weiteres Bevölkerungswachstum folglich nicht mehr möglich ist (Voland 2007: 76f.). Es dominieren dann qualitative Fortpflanzungsstrategien.
Der Mensch zeichnet sich in der Natur durch eine besonders ausgeprägte
KStrategie
aus 113 .
Grundsätzlich gilt: Höhere, komplexere Lebensformen bevorzugen KStrategien. Dies kommt dann auch im Paarungssystem zur Geltung, welches sich evolutionär zusammen mit der Art herausbildet, um deren Überlebensfähigkeit möglichst optimal zu gewährleisten. Ein leistungsfähiges Paarungssystem sorgt insbesondere für eine möglichst gute Weitergabe von Erfolgsmerkmalen an die nächste Generation. Speziell bei höheren Lebewesen investieren evolutionär erfolgreiche und stabile Paarungssysteme ganz erheblich in die Qualität des Nachwuchses 114 .
Gleiches gilt auch für die sexuelle Selektion. Die Präferenzen der Weibchen werden evolutionär so eingestellt, dass sie sich möglichst gut mit der genetischen Fitness der Männchen decken.
Betrachten wir zur Verdeutlichung einmal drei verschiedene Giraffenpopulationen mit völlig unterschiedlichen Reproduktionsstrategien.
Der Körperbau der Giraffe ist durch deren hohe Statur, den sehr verlängerten Hals, Vorderbeine, Kopf und Zunge für das Abweiden hoher Baumzweige angepasst. Sie kann dadurch Nahrung jenseits der Höhe, bis zu welcher andere Huftiere aus ihrem Lebensraum hinaufreichen können, erlangen.
Wenn nun die Bäume auf den Fraß der Tiere oder aus anderen Gründen mit einem Anheben der unteren Baumzweige reagieren, dann werden Giraffenindividuen mit besonders langen Hälsen einen Vorteil haben. Weil sie mehr Nahrung erhalten, können sie sich besser als ihre kurzhalsigen Artgenossen vermehren. Auf diese Weise verlängert sich der Hals der Giraffen mit der Zeit, und zwar ausschließlich aus evolutionären Gründen.
Dies dürfte sich aber nur dann auch tatsächlich so einstellen, wenn die Partnerwahlpräferenzen der Giraffenweibchen sich mit der genetischen Fitness der Giraffen-Männchen decken. Und in der Tat scheinen Giraffenweibchen bei der Paarung Männchen mit einem besonders langen Hals den Vorzug zu geben.
Allerdings könnte es ja auch genau umgekehrt sein. In diesem Fall würde sich die durchschnittliche Halslänge der Giraffenpopulation von Generation zu Generation verkürzen, obwohl ein besonders langer Hals einer besseren Anpassung an den Lebensraum entspräche. Auf Dauer würde die gesamte Population auf diese Weise ihre gute Adaption an ihre Umgebung verlieren und möglicherweise sogar aussterben. Dies demonstriert: Weibliche Partnerwahl-Präferenzen bilden sich evolutionär heraus. Es ist dabei unabdingbar, dass die von den Weibchen geprüften Fitnessindikatoren tatsächlich etwas über die wirkliche Fitness von potenziellen Fortpflanzungspartnern aussagen.
4.18 Handicap-Prinzip in menschlichen Gesellschaften
Wir haben das Handicap-Prinzip bereits im
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