Evolution, Zivilisation und Verschwendung
(Zahavi/Zahavi 1998: 251ff.):
Wir verwenden den Ausdruck Prestige, um diese Unterschiede in der Qualität der Beziehungen innerhalb eines Verbands widerzuspiegeln. Damit meinen wir nicht dasselbe wie Rang, sondern etwas, das eher komplementär dazu ist (In früheren Arbeiten sprachen wir vom Sozialstatus.) Mit Prestige meinen wir den Respekt, den andere einem Individuum zollen. (…)
Der Sozialstatus ist leicht zu erkennen, während das Prestige komplex und nur schwer zu messen ist. Prestige zeigt den Grad der Dominanz eines ranghöheren Individuums an, wie er ihm von rangtieferen Gruppenmitgliedern gezollt wird. Anders gesagt: Prestige wird von anderen beurteilt. Das dominante Individuum kann Prestige für sich in Anspruch nehmen, hat es aber nur dann, wenn seine Untergeordneten es ihm gewähren, und letztlich bestimmt die Anerkennung durch die anderen, wie viel Prestige ein Individuum hat.
Im Rahmen der Gefallen-wollen-Kommunikation können mittels des den verschiedenen Personen zugewiesenen Prestiges Ranghierarchien aufgebaut werden (Voland 2007: 39f.):
Ob Schützenfest oder Bambi-Verleihung, ob Nobelpreis oder Sportwettkampf – die Szenarien des kulturellen Wettstreits manifestieren sich in nahezu grenzenloser Vielfalt, aber ihre Funktionslogik bleibt jeweils dieselbe: Über die Zuweisung von Ehre und Prestige werden Ranghierarchien verhandelt.
4.20 Nichtbiologische Evolutionen
Es hat zahlreiche Versuche gegeben, die Darwinsche Lehre auf nichtbiologische Evolutionen (Technik, Wissenschaft, Kultur, Soziales etc.) auszuweiten (siehe zum Beispiel Dawkins 2007; Blackmore 2003; Ziman 2000; Wheeler/Ziman/Boden 2002; Schmidt-Wellenburg 2005; Lenzen 2003), die aber bislang allesamt entweder gescheitert oder auf erhebliche Einwände gestoßen sind. Die Anwendung der Darwinschen Evolutionstheorie auf gesellschaftliche Prozesse mündete gar in den Sozialdarwinismus.
Die bisherigen Ausführungen konnten zeigen, dass die Schwierigkeiten zum großen Teil in der Darwinschen Evolutionstheorie selbst begründet sind:
Während es sich bei den Kriterien Variation und Vererbung um
Systemeigenschaften
von Individuen handelt, stellt die natürliche Selektion vor allem ein
Produkt der Evolution
dar. Die Darwinsche Theorie ist folglich bereits von der Konzeption her uneinheitlich formuliert.
Kernbestandteil der Darwinschen Lehre sind Vererbung und Fortpflanzung. Vergleichbare Vorgänge gibt es aber bei anderen Evolutionen nicht.
Die Darwinsche Theorie macht keine Aussagen über den Typus der Objekte der Evolution.
In den folgenden fünf Abschnitten soll gezeigt werden, dass die Systemische Evolutionstheorie auch nichtbiologische Entwicklungsprozesse erklären kann 116 . Dies soll an den Beispielen Kultur, Technik, Wissenschaft, Sport und Gesellschaft verdeutlicht werden.
Gegenüber einem solchen Vorhaben sind von verschiedenen Autoren immer wieder erhebliche Bedenken geäußert worden (Gould 1991: 63):
I am convinced that comparisons between biological evolution and human cultural or technological change have done vastly more harm than good. (…) Biological evolution is powered by natural selection, cultural evolution by a different set of principles that I understand but dimly.
Die folgenden Abschnitte werden jedoch deutlich machen, dass das bisherige Scheitern solcher Übertragungen zum Teil auch auf einem Missverständnis beruht: Bei den hier diskutierten nichtbiologischen Evolutionen handelt es sich nämlich um
Evolutionen sozialer Systeme
(Gesellschaften, Organisationssysteme, Superorganismen), während es bei der biologischen Evolution um die
Evolution von Lebewesen
(Einzeller, Organismen) geht.
4.21 Kulturelle Evolution
Im Abschnitt
Meme
auf Seite → wurde Richard Dawkins Mem-Theorie (Memetik) kurz erläutert und interpretiert. Sie schlägt unter anderem einen unabhängig von den Genen existierenden und für die kulturelle Evolution verantwortlichen Replikator namens „Mem“ vor. Die Memetik wurde von verschiedenen Autoren in unterschiedlichste Anwendungsgebiete übertragen (Patzelt 2007; Blackmore 2005; Dennett 1995 etc.).
Der Soziologe Walter G. Runciman integrierte das Mem-Modell in seine Theorie des sozialen Wandels (siehe Abschnitt
Walter G. Runciman
auf Seite → ). Ähnlich wie Dawkins sieht er die Gründe für die Verbreitung und langfristige Durchsetzung eines Mems vor allem in Vorteilen auf der Empfängerseite (Schmidt-Wellenburg 2005: 75):
Entscheidend für eine Durchsetzung des neuen Mems ist, ob
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