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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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    Soziale Systeme setzen sich aus sozialen Subsystemen und Menschen (den Akteuren) zusammen, die beide ihre eigenen Interessen und Kompetenzen in das Gesamtsystem einbringen. Entscheidungsvorlagen sind letztlich Selektionsinteressen, hinter denen sich die Selbsterhaltungsinteressen von Akteuren verbergen. Bei Entscheidungen für oder gegen alternative Entscheidungsvorlagen handelt es sich folglich stets um Entscheidungen für oder gegen die Selbsterhaltungsinteressen von Akteuren.
    Ob sich in einem Unternehmen etwas durchsetzt oder nicht, hängt meist nicht nur von der Qualität eines Vorschlags ab, sondern ganz entscheidend auch von der Art und Weise wie er vorgetragen und vorangetrieben wird.
    Konkret: Ob jemand Abteilungsleiter wird, richtet sich nicht nur nach seinen Qualifikationen, sondern ganz wesentlich auch nach seinem Ehrgeiz, das heißt, der Stärke seines Selektionsinteresses.
    Größere Unternehmen (Konzerne) sind meist in Subunternehmen oder sonstige Einheiten untergliedert, die um die interne Zuteilung von Ressourcen konkurrieren (siehe Abschnitt
Systemflexibilität
auf Seite → ). In Entscheidungsvorlagen werden die vorhandenen, geplanten oder vorgeschlagenen Kompetenzen der Akteure präsentiert, unter denen die Unternehmensleitung dann in ähnlicher Weise selektiert, wie das Käufer bei Produkten tun. Auf diese Weise evolviert das Unternehmen von innen heraus und passt sich mit seiner internen Struktur an die Markterfordernisse an. In der Regel wird es sich vor allem in den Bereichen stärken, die aktuell die meisten Einnahmen erzielen, oder von denen das in naher Zukunft zu erwarten ist, ganz ähnlich, wie auch die biologische Evolution operiert.
4.23 Evolution des Wissens
    Im diesem Abschnitt geht es weniger um die Zunahme des gesammelten Wissens der Menschheit, sondern in erster Linie um den Erkenntnisprozess in den Wissenschaften. Wir betreten nun also das Gebiet der Wissenschaftstheorie.
    Gemäß Thomas S. Kuhn findet Wissenschaft in wissenschaftlichen Gemeinschaften (Communities) statt, deren Charakteristika er wie folgt beschreibt (Kuhn 1976: 188f.):
    Eine wissenschaftliche Gemeinschaft besteht so gesehen aus den Fachleuten eines wissenschaftlichen Spezialgebietes. In einem auf den meisten anderen Gebieten nicht vorhandenen Ausmaß sind sie einer gleichartigen Ausbildung und beruflichen Initiation unterworfen gewesen. Dabei haben sie dieselbe Fachliteratur gelesen und vielfach dasselbe daraus gelernt. Im Allgemeinen bezeichnen die Grenzen dieser Standardliteratur die Grenzen eines wissenschaftlichen Gegenstandsgebietes, und jede Gemeinschaft hat gewöhnlich ihr eigenes Gegenstandsgebiet. Es gibt Schulen innerhalb der Wissenschaften, Gemeinschaften, die denselben Gegenstand von miteinander unvereinbaren Standpunkten aus angehen. Doch sie sind dort viel seltener als in anderen Gebieten; sie liegen immer in Konkurrenz miteinander, und ihre Konkurrenz endet gewöhnlich schnell. Folglich stellen die Mitglieder einer wissenschaftlichen Gemeinschaft für sich undandere diejenigen dar, die als einzige für die Verfolgung einer Reihe von gemeinsamen Zielen einschließlich der Ausbildung ihrer Nachfolger verantwortlich sind.
    Eine wissenschaftliche Gemeinschaft ist also eine Gruppe an Fachleuten 122 eines wissenschaftlichen Spezialgebietes (die Wissenschaft), welches sich etwa durch eine bestimmte Standardliteratur definiert und gegenüber anderen Gebieten abgrenzt. Innerhalb der Gemeinschaft kann es verschiedene, in Konkurrenz miteinander liegende Schulen mit gegenseitig unvereinbaren Standpunkten geben. In der Regel akzeptiert die ganze Gruppe aber bestimmte Grundannahmen, die Kuhn als das Paradigma der Gemeinschaft bezeichnet. Wissenschaft ist keine Leistung Einzelner, sondern etwas, was von wissenschaftlichen Communities kooperativ veranstaltet wird (Fleck 1980: XXV).
    Wissenschaftliche Gemeinschaften pflegen in der Regel eine für sie typische Art der Kommunikation (Kuhn 1976: 189f.): Ihre Mitglieder sind nämlich sowohl die Erzeuger als auch die Prüfer aller wissenschaftlichen Resultate. Bildlich gesprochen haben wir es hier mit einer Gruppe aus lauter Pfauenmännchen zu tun, die ihre Gefieder gegenseitig präsentieren, um sie von den anderen begutachten zu lassen, ein Verfahren was allgemein als PeerReview bezeichnet wird.
    Eine von anderen Wissenschaftlern als wesentlich oder sonstwie wichtig erachtete Veröffentlichung (wissenschaftliches Ergebnis) wird meist besonders häufig in anderen

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