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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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stürzten
die anderen sich ins Getümmel und nahmen Finger in die Mangel.
Sie zerrten ihn von seinem Gegner weg und nahmen ihn in einen
Klammergriff, als ob er ein gefangener Affe wäre; er blutete
schon aus vielen Bisswunden. Und dann warfen sie ihn auf den Boden.
Seine Schreie wurden bald zu einem in Blut erstickten Gurgeln, und
Capo hörte das grässliche Reißen von Fleisch, das
Knacken von Knochen und das Reißen von Bändern.
    Fingers Attacke war indes eine Art Lackmustest gewesen. Wenn
jemand diese anderen hätte angreifen müssen, dann wäre
es Capo gewesen. Capo wusste, dass er schon verloren hatte. Er konnte
sich glücklich schätzen, wenn er diesen Tag überlebte:
Wenn die anderen ihn nicht töteten, dann würden es seine
ehemaligen Untergebenen tun.
    Trotz der Schande und Niederlage nahm Capo den Sammel-Tanz wieder
auf und versuchte seine Horde zum Mitkommen zu bewegen. Mehr
vermochte er nicht zu tun.
    Doch nicht einmal jetzt reagierten alle. Ein paar spien ihm ihre
Angst und Trotz ins Gesicht und schlugen sich in die Büsche, um
auf eigene Faust durchzukommen. Er würde sie nie wieder
sehen.
    Das junge Weibchen Heulen schaute ihre Horde mit vor Angst
geweiteten Augen an – und wechselte dann die Seiten. Sie
würde zwar Prügel von den anderen Weibchen beziehen, aber
vielleicht war sie für die Männchen so attraktiv, dass sie
am Leben bleiben durfte. Vor allem dann, wenn sie bei den harten
Paarungen, die sie würde erdulden müssen, schnell schwanger
wurde.
    Diejenigen, die Capo die Treue hielten, setzten sich
schließlich in Bewegung und gingen zum Waldrand zurück
– doch erst, als Wedel auf Capos Tanz antwortete.
    Capo verstand natürlich. Sie folgten Wedel, nicht Capo.
    Sie kehrten zum Waldrand zurück, ohne dass sie verfolgt
wurden; zumindest fürs Erste nicht. Betrübt und voller
Ungewissheit pflückten sie Blätter und Früchte ab.
    Es kam Capo schwer an, wieder auf den Ausgangspunkt
zurückgeworfen zu sein. Er bemerkte den blutigen Kadaver des
jungen Gomphotheriums, der noch immer dalag. Er sonderte sich von den
anderen ab, kletterte auf einen Baum und baute sich ein
provisorisches Nest.
    Wo Finger nun tot war, wusste er nicht, wer ihm als
größter Herausforderer erwachsen würde.
    Wedel vielleicht? Möglicherweise vermochte Capo aber eine
starke Position zu behaupten, indem er sich mit einem anderen
Männchen gegen die anderen verbündete. Er war vielleicht
nicht mehr der Ober-Boss, doch hätte er als Königsmacher
eine zentrale Stellung inne und würde auch weiterhin die
Privilegien der Macht genießen – vor allem
Paarungs-Privilegien. Und vielleicht gelang es ihm sogar, auf diese
Weise auf Umwegen wieder an die Spitze zu gelangen. Der schlaue Kerl
dachte sogar noch weiter und erwog wechselnde Bündnisse und
Intrigen…
    Seine Gedanken lösten sich auf. Er wurde von der Reise
überwältigt, die er gemacht hatte, und von der brutalen
Enttäuschung, die an ihrem Ende auf ihn gewartet hatte.
Plötzlich schien nichts mehr eine Rolle zu spielen, nicht einmal
die raffinierten Machtspiele, mit denen er in der Vergangenheit so
viel erreicht hatte.
    Die anderen schienen seine Stimmung zu spüren. Sie mieden
seine Gesellschaft, kämmten ihn nicht mehr und schauten ihn
nicht einmal mehr an. Seine Niederlage war durch den Tod von Finger
zwar hinausgezögert worden, aber sie war dennoch unvermeidlich.
Capos Werk war vollbracht, sein Leben fast vorbei. Sein
Imponiergehabe hatte er abgelegt.
    Doch dann kam Blatt zu ihm. Sie legte sich neben ihm ins Nest und
kämmte ihn sanft, wie sie es getan hatte, als sie beide jung
gewesen waren. Plötzlich war die Welt wieder schön und
voller Möglichkeiten.
     
    Wedel hatte kein Interesse an Capo, weder auf die eine noch auf
die andere Art. Er hatte etwas anderes im Sinn.
    Auf den Knöcheln ging er ein paar Schritte hinaus ins von der
Sonne beschienene Grün. Wie immer war er unsicher auf den
Füßen. Jedoch hatte er durch den langen Hals eine
Plattform, von der aus er das Land sondierte und Räuber und
andere Gefahren zu erkennen vermochte.
    Wedel duckte sich wieder ins Gras und pirschte sich vorsichtig an
den Kadaver des Gomphotheriums heran. Die Hyänen hatten ganze
Arbeit geleistet. Der Körper sah aus, als sei er explodiert:
Gliedmaßen und Rippen waren auf dem Boden verstreut, blutige
Knochen glänzten, ein fleischloser Kopf schaute ihn aus leeren
Augenhöhlen anklagend an, und zerbrochene und angenagte
spatenartige Stoßzähne lagen herum. Er

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