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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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erkennen, hatte das Neue ihn immer wieder in Staunen versetzt.
    Nun kehrten die Erwachsenen mit den Kindern zum Felsen
zurück. Sie brachten Nahrung mit. Weil sie nackt waren, trugen
sie nur so viel, wie sie mit den Händen zu greifen und im Arm zu
halten vermochten. Die meisten von ihnen kauten mit vollem Mund. Die
Leute aßen so schnell sie konnten. Sie bedienten sich selbst
und fütterten nur enge Familienangehörige, wobei sie auch
einem Mundraub nicht abgeneigt waren, wenn sie glaubten, nicht dabei
erwischt zu werden. Die Mahlzeit verlief schweigend und wurde nur von
Rülpsern, genüsslichem beziehungsweise ärgerlichem
Grunzen unterbrochen, wenn jemand einen verfaulten Happen erwischte
und einem gelegentlichen Wort – »Mir!«,
»Nuss«, »Knacken«, »Weh weh
weh…«
    Das waren simple Substantive und Verben, besitzanzeigende und
fordernde Sätze aus einem Wort ohne inhaltliche und grammatische
Struktur. Und doch war es eine Sprache: Die Worte waren Begriffe, die
sich auf konkrete Dinge bezogen – ein System, das dem Schnattern
von Capos Horde und allen anderen Tieren weit überlegen war.
    Da kam Weits Bruder, der Bengel. Er trug den schlaffen Kadaver
eines kleinen Tieres, vielleicht eines Hasen. Und ihre Mutter Ruhig
trug einen Arm voll Wurzeln, Früchte und Palmmark.
    Weit bekam plötzlich Hunger. Sie eilte wimmernd, mit
ausgestreckten Armen und offenem Mund zu ihrer Mutter.
    Ruhig zischte sie an und drehte sich mit der Nahrung theatralisch
von ihrer Tochter weg. »Mir! Mir!« Das war ein Tadel, der
von bösen Blicken ihrer Großmutter noch verstärkt
wurde. Weit war nämlich schon zu alt, um wie ein kleines Kind zu
betteln. Sie hätte lieber mitkommen und ihrer Mutter helfen
sollen, anstatt ihre Energie damit zu vergeuden, sinnlos durch die
Landschaft zu laufen. Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder, dem
Bengel, der hart gearbeitet und sogar eigenes Fleisch erbeutet
hat… All das in einem Wort.
    Man lebte nicht mehr so in den Tag hinein wie in Capos Zeit. Heute
versuchten die Erwachsenen, den Kindern etwas beizubringen. Die Welt
war zu komplex geworden, als dass die Kinder noch die Zeit gehabt
hätten, alle Überlebens-Techniken von Grund auf zu
erlernen; man musste sie das Überleben lehren. Und eine der
Aufgaben der Alten wie Weits Großmutter bestand darin, ihnen
dieses Wissen zu vermitteln.
    Dennoch streckte Weit wieder die Hände aus und winselte
kläglich wie ein Tier. Nur noch dieses eine Mal. Nur noch
heute. Morgen werde ich mithelfen.
    »Graah!« Wie Weit kalkuliert hatte, ließ Ruhig die
Nahrung auf den Boden fallen. Sie hatte Nüsse und Schmink-Bohnen
gesammelt und gab Weit eine Schote, in die sie gleich hineinbiss.
    Bengel setzte sich zu seiner Mutter. Er war noch zu jung, um bei
den Männern zu sitzen, die sich über ihre eigene Nahrung
hermachten. Bengel hatte seinen Hasen mit aller Kraft mittendurch
gerissen. Nun riss er den Kopf und die Gliedmaßen ab und
schlitzte mit einem spitzen Stein den Brustkorb auf. Aber der kleine
Metzger mühte sich sichtlich.
    Seine Familie wusste es nicht, aber er war schwer an
Hypervitaminose erkrankt. Ein paar Tage zuvor hatte einer der
Männer ihm ein paar Brocken von einer Hyänenleber gegeben,
die sie in einem kurzen Kampf über den Überresten einer
Antilope erlegt hatten. Wie bei den meisten Fleisch fressenden
Räubern war die Leber voller Vitamin A gewesen, und diese
schleichende Vergiftung würde sich bald im Körper des
Jungen bemerkbar machen.
    In einem Monat würde er tot sein. In einem Jahr hätte
selbst seine Mutter ihn vergessen.
    Doch fürs Erste knuffte Ruhig ihn sanft, nahm ihm einen Teil
des Hasen ab und gab ihm zu verstehen, dass er mit seiner Schwester
teilen sollte.
     
    Seit Capos Zeit war die Welt ständig kühler und
trockener geworden.
    Nördlich des Äquators erstreckte ein großer
Taiga-Gürtel sich über Nordamerika und Asien um die Welt
– ein Wald aus immergrünen Bäumen. Und im hohen Norden
hatte sich zum ersten Mal seit dreihundert Millionen Jahren eine
Tundra herausgebildet. Der Lebensraum, den die Tiere in der Taiga
vorfanden, war karg im Vergleich zu den alten Mischwäldern aus
Laub- und Nadelbäumen. Gleichzeitig dehnte das Grasland sich aus
– Gras war anspruchsloser als Bäume. Jedoch vermochten die
Grasflächen im Vergleich zu den schrumpfenden Waldgebieten nur
einer verringerten Zahl von Tierarten einen Lebensraum zu bieten.
Schließlich kam es im Lauf der Austrocknung wieder zu einem
Artensterben.
    Trotz

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