Evolution
haben.
Doch als die ersten Menschen von Asien nach Alaska einwanderten,
implodierte dieses phantastische Ensemble. Sieben von zehn der
Großtier-Spezies wurden innerhalb von ein paar Jahrhunderten
ausgerottet. Selbst die Urpferde wurden ausgelöscht. Viele der
überlebenden Kreaturen – wie die Moschusochsen, Riesenelche
und Amerikanische Elche – waren wie die Menschen aus Asien
eingewandert und hatten inzwischen gelernt, in einer von Menschen
dominierten Welt zu überleben.
Ähnlich verhielt es sich in Südamerika, wo sogar acht
von zehn Großtier-Spezies ausgelöscht wurden, nachdem die
Menschen über die Landbrücke von Panama eingewandert waren.
Und das geschah auch in den Ebenen Eurasiens. Sogar die Mammuts
wurden ausgerottet. All die großen Tiere verschwanden im Nebel
der Geschichte.
Und der Schaden verhielt sich nicht immer proportional zur
Größe des besiedelten Gebiets. In Neuseeland, wo es keine
Säugetiere, sondern Beuteltiere gegeben hatte, waren von der
Evolution ›spielerisch‹ andere Geschöpfe in die Rolle
von Säugetieren eingesetzt worden, insbesondere Vögel. Es
gab flügellose Gänse anstatt Kaninchen, kleine
Singvögel anstatt Mäusen, Raubvögel anstatt Raubkatzen
und siebzehn verschiedene Arten von Moas, großen
flügellosen Vögeln, die wie geflügelte Hirsche
anmuteten. Diese einzigartige Fauna, die einer fremden Welt zu
entstammen schien, wurde nach ein paar hundert Jahren menschlicher
Besiedlung vernichtet – und nicht immer durch die Menschen
selbst, sondern durch die Kreaturen in ihrem Gefolge; vor allem durch
die Ratten, die die Nester der Bodenvögel plünderten.
All diese Tiere hatten unter dem Druck des schnell sich
verändernden Klimas am Ende der Eiszeit gestanden. Jedoch hatten
die meisten dieser uralten Linien schon viele ähnliche
Veränderungen in der Vergangenheit überlebt. Was diesmal
den Ausschlag gab, war die Präsenz von Menschen. Es war aber
keine schnelle Auslöschung. Die Menschen waren oftmals
ungeschickte Jäger, und Großwild machte nur einen kleinen
Teil ihrer Nahrung aus. Viele Gemeinschaften, wie Jahnas Leute,
glaubten gar, sie würden die Tiere schonen. Indem sie den Tieren
aber zu einer Zeit nachstellten, zu der sie am verwundbarsten waren,
indem sie selektiv nur die Jungtiere töteten, indem sie in
Lebensräume einbrachen und Schlüsselglieder aus der
Nahrungskette rissen, von der ganze Tiergemeinschaften existierten,
richteten sie doch großen Schaden an. Nur in Afrika, wo die
Tiere sich neben den Menschen entwickelt und Zeit gehabt hatten, sich
mit ihnen zu arrangieren, wurde so etwas wie die alte Vielfalt des
Pleistozäns bewahrt.
Roods kühler Garten Eden war längst vergangen. Die
Vegetation war geschrumpft und einer leeren, hallenden Welt gewichen,
die von verlorenen Menschen durchstreift wurde. Sie vergaßen
schnell, dass die großen exotischen Tiere und die verschiedenen
Arten von Menschen überhaupt existiert hatten.
Die Leute lebten natürlich noch immer als Jäger und
Sammler. Aber es erwies sich als viel schwieriger, Hirsche und
Wildschweine in den Wäldern zu jagen als Rentieren aufzulauern,
die in der offenen Steppe Flüsse überquerten. Nach dem
Massensterben verschlechterte die Lebensqualität sich im
Vergleich zu früher: Die Nahrungsqualität wurde schlechter,
und man musste mehr Zeit in die Nahrungssuche investieren. Weltweit
entwickelte die Kultur der Menschen sich zurück und wurde
primitiver.
Im tiefsten Innern wussten die Menschen, dass etwas nicht stimmte.
Und nun gerieten sie erneut unter Druck.
Juna holte Cahl schon nach einem halben Tag ein. Er hatte es sich
im Schatten einer erodierten Sandsteinklippe gemütlich gemacht
und mümmelte eine Wurzel. Das Fleisch und die Artefakte aus
Muscheln und Knochen, die er von den Leuten bekommen hatte, lagen
neben ihm im Schmutz.
Er beobachtete ihre Annäherung; seine Augen leuchteten im
Schatten. »Na«, sagte er ölig. »Du
Goldköpfchen.«
Sie kannte das Wort ›Gold‹ nicht und verlangsamte unter
seinem stechenden Blick den Schritt.
Er stand schwerfällig auf, wobei das Lederwams sich über
dem Bauch spannte. »Wie ein verängstigtes Kaninchen!«,
sagte er. »Du hast doch den weiten Weg gemacht, um mich zu finden und nicht umgekehrt. Und ich sehe auch, obwohl du mich
so eklig findest, rennst du nicht weg. Wieso bist du also
gekommen?«
Sie stand reglos da und starrte ihn an. Sie vermochte keinen
klaren Gedanken zu fassen, als ob ein Felsbrocken auf sie gefallen
wäre
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