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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fuß
gesetzt hatte. Tiefverwurzelte Tabus, durch die wohlbegründete
Furcht inspiriert, durch die Hände von Fremden umzukommen, lagen
im Widerstreit mit dem Bestreben, voranzukommen. Und sie ging auch
weiter, denn sie hatte keine andere Wahl.
    Sie mussten eine Nacht im Freien verbringen. Er führte sie in
den Schutz einer Felswand, in eine Nische, die er offensichtlich
schon einmal benutzt hatte, denn sie sah ringsum Kothaufen. Er
ließ es aber nicht zu, dass sie vom Fleisch aß oder auf
die Jagd ging. Offensichtlich traute er ihr nicht genug. Immerhin gab
er ihr ein paar von den dünnen stinkenden Wurzeln, die sie
getragen hatte.
    Als es dunkel wurde, nahm er sie erneut. Verglichen mit dem
brutalen Akt erschien ihre kindliche Fummelei mit Tori geradezu
zärtlich. Zu ihrer Erleichterung war Cahl aber schnell fertig
– er hatte sich an diesem Tag nämlich schon verausgabt
– und schlief schnell ein, nachdem er sich von ihr
heruntergerollt hatte.
    Sie massierte sich die gequetschten Schenkel und hing den Gedanken
nach.
    Am Morgen stiegen sie dann vom trockenen Hochplateau in ein weites
Tal ab. Hier war das Land grüner; es war dicht mit Gras
bewachsen, und sie erkannte das blaue Band eines trägen Flusses
mit einem aus Bäumen bestehenden grünen Ufersaum. Das
wäre ein guter Platz zum Leben, sagte sie sich, besser als das
trockene Hochland; und hier musste es auch reichlich Wild geben.
Während sie abstiegen, erhaschte sie aber auch nur Blicke auf
Kaninchen, Mäuse und Vögel. Es gab keine Anzeichen von
Fährten größerer Tiere, keine ihrer
charakteristischen Spuren.
    Schließlich machte sie eine große braune Narbe nahe
dem Flussufer aus. Rauch stieg an einem Dutzend Stellen auf, und sie
erkannte Bewegung, ein fahles Wimmeln wie Maden in einer Wunde. Aber
die Maden waren durcheinander wuselnde Leute, die durch die
große Entfernung so winzig wirkten.
    Allmählich verstand sie. Das war eine große,
ausgedehnte Siedlung, eine Stadt. Sie war erstaunt. Sie hatte noch
nie eine menschliche Siedlung in diesem Maßstab gesehen. Das
flaue Gefühl im Bauch wurde immer stärker, je näher
sie der Ansiedlung kamen.
    Noch bevor sie die Siedlung erreichten, trafen sie auf die
Leute.
    Sie waren alle kleinwüchsig, dunkelhäutig und gebeugt.
Und Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen bearbeiteten
den Boden. Juna hatte etwas Derartiges noch nie gesehen. An einer
Stelle hatten sie sich gebückt und kratzten mit in Holz
gefassten Steinwerkzeugen auf dem kahlen Boden. Ein Stück weiter
war eine üppige Wiese, wo die Leute Grashalme auszupften und in
Körben und Schalen legten. Ein paar schauten auf, als sie
vorbeikam und zeigten eine trübe Neugier.
    Cahl sah ihren staunenden Blick. »Das sind Felder«, sagte er. »Von ihnen ernähren wie unsre Kinder. Siehst
du? Man säubert den Boden. Man pflanzt Samen. Man
vernichtet das Unkraut und lässt das Getreide wachsen. Dann fährt man die Ernte ein.«
    Sie versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, aber da waren zu
viele unbekannte Wörter. »Wo ist euer Schamane?«
    Er lachte. »Wir sind vielleicht alle Schamanen.«
    Sie kamen an einer anderen freien Fläche vorbei – einem
anderen ›Feld‹, wie Cahl es nannte –, wo Ziegen von
einem Zaun aus hölzernen Pfählen und Dornensträuchern
umgeben waren. Als sie Cahl und Juna kommen sahen, rannten die Ziegen
meckernd und mit vorgestoßenen Köpfen zum Zaun. Sie hatten
Hunger, das sah Juna sofort. Sie hatten das ganze Gras im Pferch
abgefressen und wollten nun frei sein und im Tal und auf den
Hügeln nach Nahrung suchen. Sie hatte keine Ahnung, weshalb die
Leute sie hier einsperrten.
    Dann erreichten sie den Talboden. Das Gras wurde immer
schütterer und wich schließlich aufgewühltem Schlamm,
der allenthalben mit Kot und Urin bedeckt war – menschliche
Fäkalien, die man einfach hier abgeladen hatte. Als ob sie auf
einem großen Abfallhaufen lebten, sagte sie sich.
    Schließlich gelangten sie zur eigentlichen Siedlung. Die
Hütten waren sehr solide und dauerhaft – auf Gerüsten
aus Baumstämmen errichtet, die man in den schlammigen Boden
gerammt hatte und mit Lehm und Stroh gedeckt. Sie hatten Löcher
in den Dächern, und aus vielen quoll Rauch, obwohl es erst
mitten am Tag war. Eine Hütte war eine Hütte. Aber es waren
so viele, dass sie sie nicht einmal zu zählen vermochte.
    Und es wimmelte nur so von Leuten.
    Sie trugen die seltsame, eng anliegende und alles verhüllende
Kleidung, die Cahl bevorzugte. Sie waren alle kleiner

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