Evolution
als sie,
Männer und Frauen gleichermaßen, und ihre dunkle Haut war
pockennarbig und zerfurcht. Viele Frauen trugen schwere Lasten. Da
wurde eine kleine Frau von einem großen Sack
niedergedrückt; den Sack hatte sie sich um die Stirn gebunden,
und es hatte den Anschein, dass er noch mehr wog als sie. Die
Männer hingegen schienen kaum mehr zu tragen, als sie in den
Händen zu halten vermochten.
Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nicht so viele Leute gesehen,
geschweige denn auf einem solchen Haufen zusammengedrängt.
Obwohl sie sich schon eine Vorstellung von der Größe der
Felder gemacht hatte, wusste sie immer noch nicht, wie so viele Leute
davon leben sollten; sie mussten doch sicher alles Wild verscheuchen
und alle essbaren Pflanzen im Umkreis verschlingen. Und doch sah sie
geschlachtete Tiere, die vor einer Hütte aufgestapelt waren und
Getreidekörbe vor einer anderen.
Und es gab hier viele Kinder. Ein paar liefen Juna sogar nach,
zupften an ihrem Kleid und bestaunten ihr glänzendes Haar. Dann
stimmte zumindest dies: Es gab hier wirklich mehr Kinder, als ihre
Gemeinschaft je zu ernähren vermocht hätte. Jedoch hatten
viele Kinder verkrümmte Knochen, pockennarbige Haut und braune
Zähne. Ein paar waren mager und hatten die komischen
Dickbäuche, die von mangelhafter Ernährung zeugten.
Die Männer scharten sich um Cahl und Juna und redeten in
einer unverständlichen Sprache auf sie ein. Sie schienen Cahl zu
gratulieren, als sei er ein erfolgreicher Jäger. Als die
Männer sie lüstern angeiferten, sah sie, dass sie genauso
schlechte Zähne hatten wie Cahl.
Plötzlich verlor sie die Nerven. Zu viele Leute. Sie
wollte fliehen, aber die Leute setzten ihr nach und umringten sie
noch enger. Kinder zogen sie kreischend an ihrem flachsblonden Haar.
Sie spürte aufwallende Panik und geriet in Atemnot. Sie hielt
verzweifelt Ausschau nach einem Stück Grün, aber da war
kein Grün, nur diese braune Sickergrube. Die Welt drehte sich um
sie. Sie kippte um und ließ Cahls Fleisch in den Dreck fallen.
Sie hörte Cahls zornigen Schrei. Und die Kinder und Erwachsenen
tobten noch immer um sie herum.
Langsam kam sie wieder zu sich.
Man hatte sie in eine der Hütten gebracht. Sie lag
rücklings auf dem Boden und sah Tageslicht durch Risse und Fugen
im Dach über sich dringen.
Und Cahl war schon wieder auf ihr und stieß sie heftig. Sein
Atem roch nach Bier.
Es waren noch andere Leute in der Hütte. Sie schlichen im
Zwielicht umher und redeten in einer Sprache, die sie nicht verstand.
Es waren auch viele Kinder in jedem Alter da, die zusahen. Sie fragte
sich, ob sie alle von Cahl waren. Eine Frau kam in ihre Nähe.
Sie war von kleinem Wuchs wie die anderen und hager. Das Gesicht war
schlaff und zerfurcht, und das schwarze Haar hatte sie zur Seite
gekämmt. Sie brachte eine Schüssel mit einer
Flüssigkeit. Sie sah älter aus als Juna…
Cahls fleischige Hand schloss sich wie ein Schraubstock um ihren
Kiefer. »Sieh mich an, du Sau. Sieh mich an, nicht sie.«
Und dann stieß er sie härter als zuvor.
In der Dämmerung kam die schwarzhaarige Frau, die, wie sich
herausstellte, auf den Namen Gwerei hörte, wieder und weckte
Juna mit einem Fußtritt in den Rücken. Juna erhob sich von
der primitiven schmutzigen Pritsche, die man ihr zugewiesen hatte und
versuchte die dicke Luft zu atmen, die mit dem Gestank von
Schweiß und Fürzen geschwängert war.
Die Frau redete auf Juna ein, wies auf die Feuerstelle und stapfte
dann verärgert über Junas Begriffsstutzigkeit aus der
Hütte. Sie kehrte mit einem dicken Holzscheit zurück, das
sie aufs Feuer warf. Dann schob sie die Kinder zur Seite und legte
ein Loch im Boden frei, das eine Masse aus klumpigen weißen
Gebilden enthielt. Zuerst glaubte Juna, das seien Pilze, vielleicht
sogar essbare. Doch dann biss die Frau in eine solche Masse, brach
andere und warf die Stücke den bettelnden Kindern zu.
Dann warf sie auch Juna ein Stück von dem weißen Zeug
zu. Juna biss vorsichtig hinein. Es war fade und schmeckte nach
nichts; es war, als ob sie in ein Stück Holz gebissen
hätte. Und es war körnig und mit harten Stücken
gespickt, die sie mit den Zähnen zermahlen musste. Aber sie
hatte seit der letzten Rast mit Cahl auf der Hochebene nichts mehr
gegessen, und der Hunger nagte an ihr. Also schlang sie die Nahrung
so gierig hinunter wie die Kinder.
Das war ihr erstes Stück Brot, obwohl es noch viele Tage
dauern sollte, bis sie seinen Namen erfuhr.
Während sie aßen,
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