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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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trickreicher Gott hat nur diesen wuselnden
Haufen erschaffen?«
    »Kein Gott. Menschen, Juna. Viele, viele Menschen. Das
musst du dir merken. Egal, wie fremdartig das alles dir auch
erscheint, es ist das Werk von Menschen wie du und ich.
Außerdem«, sagte er mit gespielter Naivität,
»bist du doch hier geboren. Hier gehörst du hin.«
    »Hier bin ich geboren«, sagte sie, jedoch ohne allzu
große Überzeugungskraft. »Aber ich fürchte mich
trotzdem. Ich kann mir nicht helfen.«
    »Ich bin bei dir«, murmelte er.
    Mit kühler Überlegung schob sie die Hand in die seine.
Dabei trafen sich ihr und Mutis Blick; er lächelte wissend.
    Sie gingen eine radiale Straße auf die Gebäude in der
Stadtmitte zu. Nun war Juna wirklich baff. Diese Bauwerke mit ihren
drei Stockwerken dräuten wie Riesen über dem Rest der
Stadt. Die Bauten waren in einem lockeren Geviert um einen zentralen
Hof angelegt, der dicht mit Gras und Blumen bewachsen war. Mit
Speeren bewaffnete Männer standen an jedem Eingang und schauten
argwöhnisch. Frauen gingen mit Wasserkrügen durchs Gras und
benetzten es.
    Muti grinste Juna an. »Sie guckt schon wieder. Was gibt es
denn diesmal?«
    »Das Gras. Wieso bewerfen sie es mit Wasser?« Sie rang
nach Worten. »Regen fällt. Gras wächst.«
    Muti schüttelte den Kopf. »Nicht regelmäßig
genug für den Potus. Ich glaube, er würde am liebsten
selbst das Wetter machen.«
    Sie betraten das größte Gebäude. Juna war noch nie
in einem so großen umbauten Raum gewesen. Treppen und Leitern
verbanden die halbgeschossartigen Flure miteinander. Trotz des
Tageslichts brannten qualmende Fackeln an den Wänden. Sie warfen
Schatten und tauchten den Palast in ein gelbes Licht. Mit
glänzenden Gewändern bekleidete Leute bewegten sich auf
allen Stockwerken; ein paar winkten Keram und Muti beim Vorbeigehen
zu. Es war wie der Blick ins Geäst eines großen Baums.
Selbst der Boden war außergewöhnlich: Er bestand aus
glänzendem Holz, das so glatt gehobelt und mit Öl oder Fett
imprägniert war, dass sie fast darauf ausglitt.
    Sie betraten das Innerste des Gebäudes. Hier war eine
Plattform, die sich schulterhoch über den Fußboden erhob.
Und auf der Plattform saß auf einem kunstvoll verzierten
Holzblock der dickste Mann, den Juna je gesehen hatte. Er hatte
größere Titten als eine Amme. Der von Öl
glänzende Bauch war kugelrund. Und der kahle Kopf sah aus wie
eine übergroße Billardkugel. Er hatte keinen Bart und
nicht einmal Augenbrauen. Er hatte einen freien Oberkörper, trug
aber eine sorgfältig vernähte Hose.
    Diese feiste Kreatur war der Potus, der Mächtige. Er war
einer der ersten Könige der Menschheit. Er sprach gerade zu
einem dürren Männchen neben sich, das mit großer
Konzentration Knotenschnüre abtastete.
    Keram und Muti warteten geduldig, bis Potus ihnen seine
Aufmerksamkeit widmete.
    »Was machen sie denn mit der Schnur?«, wisperte
Juna.
    »Das sind Bücher«, flüstert Muti. »Sie
enthalten… hm… die Arbeitsleistung der Stadt und der
Farmen. Die Anzahl der Schafe und Ziegen. Der erwartete Ertrag der
nächsten Ernte. Die Anzahl der neugeborenen Kinder und der
Toten…« Er lächelte angesichts der großen Augen,
die sie machte. »Unsere Geschichten sind in diesen Schnüren
enthalten, Juna. So läuft das in Cata Huuk.«
    Keram knuffte ihn. Der Mann mit der Knotenschnur hatte sich
zurückgezogen, und der massige Schädel des Potus war zu
ihnen herübergeschwenkt. Keram und Muti verneigten sich
unverzüglich. Juna blieb stehen, bis Keram sie zu sich
herunterzog.
    »Sie soll ruhig stehen bleiben«, sagte der Potus. Seine
Stimme war wie das Knirschen von Flusskieseln. Er schaute Juna an und
winkte sie zu sich.
    Zögernd trat Juna vor.
    Er beugte sich über sie. Sie roch Tieröl auf seiner
Haut. Dann zog er sie so fest an den Haaren, dass sie aufschrie.
»Wo habt ihr die her?«
    Keram gab ihm eine kurze Schilderung der Ereignisse in Keer.
»Potus, sie sagt, dass sie hier geboren sei – hier in Cata
Huuk. Sie sagt, dass sie als Baby entführt worden sei.
Und…«
    »Zieh dich aus«, herrschte der Potus Juna an.
    Sie funkelte ihn an, angewidert von seinem Geruch und verweigerte
den Befehl. Doch Muti riss ihr hastig das lederne Kleid vom Leib,
sodass sie nackt vor ihm stand.
    Der Potus nickte, als begutachtete er eine Jagdbeute. »Gute
Brüste. Guter Wuchs, gute Figur – und ein Junges im Bauch,
wie ich sehe. Glaubst du ihr, Keram? Mir ist noch nie zu Ohren
gekommen, dass ein solches Kind

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