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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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war, Honorius war ein
Bürger Roms und musste sich vor keinem Menschen der Welt
fürchten.
    Der Skythe wickelte das Tuch vom Kopf ab und wirbelte noch mehr
Staub auf. Er hatte ein verwittertes Gesicht mit einer Hakennase.
Athalarich stellte konsterniert fest, dass er blondes Haar hatte,
flachsblond wie das eines Sachsen.
    Honorius wandte sich an Papak und murmelte: »Entbietet ihm
Euren Gruß und versichert ihn unsrer besten
Absichten…«
    »Diese Wüstenfüchse haben wenig Zeit für
Nettigkeiten, mein Herr«, fiel Papak ihm ins Wort. »Er will
Euer Gold sehen.«
    »Wir haben diese lange Reise gemacht, um uns von einem
Sandfloh beleidigen zu lassen«, grummelte Athalarich.
    Honorius schaute gequält. »Athalarich, bitte. Das
Gold.«
    Mit einem finsteren Blick auf den Skythen öffnete Athalarich
seinen Umhang und brachte einen Beutel mit Gold zum Vorschein. Dann
warf er dem Skythen ein Goldstück zu, auf das dieser
prüfend biss.
    »Und nun die Knochen«, flüsterte Honorius.
»Gibt es sie wirklich? Zeigt sie mir, mein Herr. Zeigt sie
mir…«
    Hierzu bedurfte es keines Dolmetschers. Der Skythe zog ein
Bündel aus einer tiefen Tasche. Vorsichtig wickelte er das
Bündel auf und sagte etwas in seiner fließenden
Sprache.
    »Er sagt, das sei wirklich ein Schatz«, murmelte Papak.
»Er sagt, er käme von jenseits der Wüste mit dem Sand
aus Gold, wo die Knochen der Greife…«
    »Ich kenne Greife«, sagte Honorius gepresst. »Aber
ich bin nicht an ihnen interessiert.«
    »Von jenseits des Lands der Perser, und von jenseits des
Lands der Guptas. Es ist schwer zu übersetzen«, sagte
Papak. »Er hat eine andere Vorstellung von Landbesitz als wir,
und seine Beschreibungen sind weitschweifig und
blumig…«
    Endlich – nachdem er ihnen wie ein gewiefter Händler den
Mund wässrig gemacht hatte, sagte Athalarich sich zynisch –
schlug der Skythe die Tücher auf und enthüllte einen
Schädel.
    Honorius stockte der Atem, und fast wäre er noch aufs
Fragment gefallen. »Er ist von einem Menschen. Aber nicht von
einem Menschen wie wir…«
    Im Verlauf seiner Ausbildung hatte Athalarich schon viele
menschliche Schädel gesehen. Das platte Gesicht und der Kiefer
dieses Schädels waren durchaus menschlich. Aber es war nichts
Menschliches am dicken Knochenwulst über den Augen und der
kleinen Hirnschale – sie war so klein, dass er sie mit einer
Hand zu überwölben vermocht hätte.
    »Ein solches Relikt habe ich immer schon studieren
wollen«, sagte Honorius atemlos. »Es ist wahr, was Titus
Lucretius Carus schrieb, dass nämlich die frühen Menschen
in jeder Umgebung zu überleben vermochten, obwohl es ihnen an
Kleidung und Feuer ermangelte – dass sie wie Tiere in Rotten
reisten und auf dem Erdboden oder im Unterholz schliefen – dass
sie alles zu essen vermochten und kaum jemals krank wurden? Oh, Ihr
müsst nach Rom kommen, mein Herr. Ihr müsst nach Gallien
kommen! Denn dort gibt es eine Höhle, eine Höhle an der
Meeresküste, wo ich, wo ich…«
    Doch der Skythe, der sich vielleicht fragte, wie er auch ans
restliche Gold zu kommen vermochte, hörte gar nicht zu. Er hielt
das Fragment wie eine Trophäe hoch.
    Der Schädel des Homo erectus, in einer Million Jahren
blank poliert, glänzte im Sonnenlicht.

 
II
     
     
    Unter Honorius’ Druck erklärte der Skythe sich
schließlich bereit, ihm nach Rom zu folgen. Papak kam auch mit,
als ein mehr oder minder notwendiger Dolmetscher, aber auch –
sehr zu Athalarichs Missfallen – zwei der Träger, die sie
durch die Wüste begleitet hatten.
    Athalarich stellte Papak auf der Seefahrt zurück nach Italien
zur Rede. »Du nimmst den alten Mann schamlos aus. Ich kenne
Leute deines Schlags, Perser.«
    »Aber wir tun doch das Gleiche«, sagte Papak
ungerührt. »Ich nehme sein Geld, du zehrst von seinem
Wissen. Wo ist der Unterschied? Die Jungen haben auf die eine oder
andere Weise immer schon vom Reichtum der Alten profitiert. Stimmt
das etwa nicht?«
    »Ich habe mir vorgenommen, ihn sicher wieder nach Hause zu
bringen. Und das werde ich auch tun, was auch immer du im Schilde
führst.«
    Papak lachte. »Ich will Honorius nichts tun.« Er zeigte
auf den teilnahmslos wirkenden Skythen. »Ich habe ihm doch
gegeben, was er wollte, oder?« Aber die Miene des Skythen, der
diese Unterredung mit kaltem Blick verfolgte, sagte Athalarich, dass
er sich mitnichten als irgendjemandes Eigentum betrachtete, auch
nicht vorübergehend.
    Trotzdem war sogar Athalarichs Neugier geweckt, als

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