Evolution
geheimnisvollen Ländern hinter
Persien im unbekannten Teil Asiens pflegte, beeinflusst. Sie
schlossen sich einer Bootsladung Pilger, hauptsächlich
römischer Landadel aus dem Westen, an, die zum Heiligen Land
unterwegs war. Endlich war der ganze Papierkram erledigt; allerdings
war Honorius’ ohnehin schon geschrumpfter Goldvorrat dadurch
noch mehr verringert worden. Anschließend reisten sie zu Pferd
und auf Kamelen ins Landesinnere.
Auf der langen Reise verfiel Honorius jedoch sichtlich, und
Athalarich bereute es immer mehr, dass er nicht einmal versucht
hatte, seinen Mentor zur Rückkehr nach Rom zu bewegen.
Petra war eine Felsenstadt.
»Das ist außergewöhnlich«, sagte Honorius. Er
stieg hastig vom Reittier und ging auf die riesigen Bauwerke zu.
»Wirklich außergewöhnlich.«
Athalarich stieg auch vom Pferd. Er warf einen Blick auf Papak und
seine Träger, wie sie die Pferde zum Wasser führten und
folgte dann seinem Mentor. Es war sehr heiß, und in dieser
trockenen, staubigen Luft fühlte Athalarich sich auch nicht
durch das lockere, blütenweiße Gewand geschützt, das
Papak ihm gegeben hatte.
Mächtige Grabmale und Tempel wuchsen aus einer Steppe, die
jedoch so öde war, dass es sich eher um eine Wüste
handelte. Aber es war immer noch eine quirlige Stadt, wie Athalarich
sah. Ein komplexes System aus Kanälen, Röhren und Zisternen
kanalisierte und speicherte Wasser für Blumenbeete, Felder und
die Stadt selbst. Und doch muteten die Menschen irgendwie wie Zwerge
an vor dem Hintergrund der großen Monumente, als ob sie von der
Zeit geschrumpft worden wären.
»Einst war dieser Ort der Mittelpunkt der Welt, weißt
du«, sinnierte Honorius. »Zwischen Assyrien, Babylon,
Persien und Ägypten fand ein Kampf um die Vorherrschaft statt
– und zwar hier in diesem Gebiet, denn unter den Nabatäern
kontrollierte Petra den Handel zwischen Europa, Afrika und dem Osten.
Es war eine außerordentliche Machtposition. Und unter
römischer Herrschaft wurde Petra noch reicher.«
Athalarich nickte. »Und wieso hat Rom dann die Welt
beherrscht. Und nicht Petra?«
»Ich glaube, die Antwort liegt genau vor dir«, sagte
Honorius. »Schau.«
Athalarich sah aber nichts außer ein paar Bäumen, die
inmitten der Sträucher, Kräuter und Gräser ums
Überleben kämpften. Ziegen, die von einem zerlumpten Jungen
mit großen Augen gehütet wurden, knabberten an tief
hängenden Ästen.
»Einst war dies Waldland«, sagte Honorius,
»geprägt von Eichen und Pistazienbäumen. So sagen die
Historiker. Aber die Bäume wurden für den Bau von
Häusern und die Täfelung von Wänden gefällt. Nun
fressen die Ziegen die Reste des Pflanzenwuchses, und der ausgelaugte
Boden trocknet aus und wird vom Wind verweht. Als das Land nichts
mehr hergab und die Brunnen versiegten, floh die Bevölkerung
oder verhungerte. Wenn Petra nicht schon hier existiert hätte,
wäre es unmöglich gewesen, sie aus einem so armen
Hinterland zu versorgen. In ein paar Jahrhunderten wird die Stadt
ganz verlassen sein.«
Athalarich verspürte ein bedrückendes Gefühl der
Verschwendung. »Welchen Sinn haben diese prachtvollen
Aufhäufungen von Stein und die vielen Toten, die der Preis
für ihre Errichtung gewesen sein müssen, wenn die Menschen
ihre eigenen Lebensgrundlagen verfressen und alles zu Schutt
zerfällt?«
»Es ist gut möglich«, sagte Honorius düster,
»dass Rom eines Tages auch eine Ruinenstätte mit
umgestürzten Monumenten ist und von armseligen Leuten bewohnt
wird, die ihre Ziegen über die Via Sacra treiben, ohne die
Bedeutung der mächtigen Ruinen zu kennen, die sie überall
sehen.«
»Auch wenn Städte erblühen und verfallen, vermag
ein Mensch doch Herr seines Schicksals zu sein«, murmelte Papak.
Er hatte sich zu ihnen gesellt und lauschte aufmerksam. »Und
hier kommt ein solcher, glaube ich.«
Ein Mann kam aus der Stadt auf sie zu. Er war sehr groß und
trug eine Kleidung aus schwarzem Stoff, der sich um den
Oberkörper und die Beine schmiegte. Ein rotes Tuch bedeckte
seinen Kopf und verhüllte fast das ganze Gesicht. Der Staub
schien um seine Füße zu tanzen. Athalarich mutete er wie
eine mythische Gestalt aus einer anderen Zeit an.
»Euer Skythe, vermute ich«, murmelte Honorius.
»Fürwahr«, sagte Papak.
Honorius straffte sich und strich die Toga glatt. Athalarich
verspürte einen Anflug von Stolz, der jedoch durch einen Hauch
Neid oder vielleicht auch Minderwertigkeitsgefühl getrübt
wurde. So imposant dieser Fremde auch
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