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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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dem Untergang der Stadt, war der Erdboden noch so verseucht,
dass nur metalltolerante Pflanzen zu überleben vermochten –
zum Beispiel die Kupfer-Blumen mit den violetten Blüten.
    Schließlich wurden die purpurnen Blumen wieder lichter. Im
Herzen dieses seltsamen Orts kam sie zu einem flachen Flussufer. Das
Flussbett war trocken und nur mit Staubverwehungen gefüllt:
Geologische Verschiebungen hatten vor schon langer Zeit das Wasser
umgeleitet, das diese Rinne gefräst hatte. Erinnerung stieg das
erodierte Ufer hinunter und grub im Staub, doch auch hier gab es
keine Feuchtigkeit.
    Nachdem sie die flache Senke wieder verlassen hatte, dauerte es
nicht lang, bis Erinnerung aufs nächste Hindernis
stieß.
    Es gab hier Bäume, knorrige, zäh wirkende Bäume,
sowie Termiten- und Ameisenhügel, die wie Statuen über eine
ansonsten trockene und leblose Ebene verstreut waren. Es war kein
Wald – dafür standen die Bäume nicht dicht genug
zusammen –, sondern es glich eher einem Garten, wo man einen
großen Abstand zwischen den einzelnen Bäumen gelassen und
sie mit Termitenhügeln und Ameisennestern umgeben hatte. Das
waren Borametz-Bäume, die neue Art. Der Garten weckte ein
tiefes, instinktives Gefühl des Unbehagens in Erinnerung. Im
tiefsten Innern wusste sie, dass dies nicht die Art von Landschaft
war, in der die Hominiden sich entwickelt hatten.
    Und diese fremdartige Landschaft aus Bäumen und
Termitenhügeln war wieder eine Barriere auf ihrem Weg; sie
erstreckte sich so weit nach links und rechts, wie das Auge reichte.
Und als die Sonne sich dem Horizont entgegensenkte, wurden Durst und
Hunger schier unerträglich.
    Zögernd ging sie weiter.
    Etwas kitzelte sie am Fuß. Sie schrie auf und sprang
zurück.
    Sie war in eine doppelte Ameisen-Kolonne getreten. Die Tiere
liefen auf einer Spur zwischen einem Nest – dessen Löcher
sie im Boden sah – und den Wurzeln eines Baums hin und her. Sie
bückte sich und fuhr mit den Händen über die Ameisen.
Dabei wirbelte sie zwar mehr Staub als Insekten auf, aber es gelang
ihr trotzdem, sich ein paar Ameisen in den Mund zu stecken und kaute
die knusprigen Leckereien. Immer mehr emsige Ameisen liefen ihr um
die Füße herum, ohne das Schicksal ihrer Kameraden zur
Kenntnis zu nehmen.
    Der Baum, der das Ziel dieser Ameisen darstellte, war nichts
Besonderes: Er war klein und hatte einen dicken, knorrigen Stamm und
Äste, die mit kleinen roten Blättern behangen waren, sowie
breite Luftwurzeln, die sich über den Boden ausbreiteten, bevor
sie wie stochernde Finger darin verschwanden.
    Erinnerung ging zum Borametz-Baum hin und musterte ihn skeptisch.
Es hingen keine Früchte an den tiefen Ästen. Dafür
wuchs etwas daran, das wie hartschalige Nüsse aussah, in Klumpen
am Fuß des Stamms in der Nähe der Wurzeln. Aber es gab nur
ein paar Nüsse, weniger als ein Dutzend. Sie versuchte sie
abzureißen, aber sie hingen zu fest für ihre Finger, und
die Schalen waren zu hart für ihre Zähne. Sie riss ein paar
Blätter ab und kaute sie versuchsweise. Sie waren bitter und
trocken.
    Sie gab es auf, ließ die letzten Blätter fallen und
lief zu einer verheißungsvolleren Nahrungsquelle. Der
nächste Termitenhügel war so groß wie sie, ein hoher
Kegel aus getrocknetem Lehm. Sie ging zum Baum zurück und suchte
nach einem Zweig. Sie hatte früher schon Termiten gefischt,
obwohl sie nicht so gut war wie seinerzeit Capo. Sie war nicht einmal
so geschickt, wie Schimpansen es im Zeitalter der Menschen gewesen
waren. Aber es gelang ihr vielleicht doch, genug von den wimmelnden
Leckereien hervorzuholen, um den Hunger zu lindern…
    Sie erhaschte einen Blick auf einen vorstoßenden Kopf mit
Schneidezähnen, die wie Messerklingen durch die Luft
säbelten. Eine Ratte. Sie machte einen Satz und griff nach den
Ästen des Borametz. Die Äste waren dünn, verworren und
schwer zu greifen. Aber sie schaffte es trotzdem, denn das war die
einzige Deckung, die sie hatte.
    Es war ein Maus-Raptor: einer von der Kolonie, die die
elefantenartigen Menschenabkömmlinge zum See geführt
hatten. Der Raptor stieß vor Wut einen schrillen Schrei aus,
richtete sich auf den kräftigen Hinterbeinen auf, schnitt mit
den blutverschmierten Schneidezähnen durchs untere Blattwerk und
rannte mit dem massiven Schädel gegen den Stamm des
Borametz.
    Der junge, rastlose und neugierige Raptor hatte noch nie diese Art
von Tier gejagt. Erinnerung so weit zu verfolgen war ein schönes
Spiel gewesen. Doch nun hatte der Raptor

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