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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihre Art wieder das große Gehirn des
Menschen-Zeitalters ausgeprägt hätte, doch dahinter befand
sich nur poröser Knochen mit einem Verbund aus Nebenhöhlen,
die als Kühlsystem fürs Gehirn fungierten.
    Und obwohl sie schon ausgewachsen war, hatte sie einen kindlichen
Körper. Ultima war in funktionaler Hinsicht eine Frau – die
Leute gebaren immer noch –, aber es gab keine Männer mehr,
und das Geschlecht war ohne Bedeutung. Sie hatte keine Brüste,
nicht einmal Brustwarzen. Dieser Tage wurde keine Muttermilch mehr
gebraucht, genauso wenig wie die komplexen Strukturen eines
großen Gehirns. Der Baum sorgte für sie.
    Und sie war kein zweibeiniges Wesen. Das sah man an der Art und
Weise, wie sie zum Baum lief: Arme und Beine waren zum Hangeln
und Klettern gemacht und die Füße zum Greifen – nicht
für den aufrechten Gang. Diese experimentelle Art der
Fortbewegung war schon vor langer Zeit ad acta gelegt worden. Im
Vergleich zu ihren Ahnen war sie langsam und träge, wie alle
ihrer Art.
    Am Baum hielt Ultima Ausschau nach ihrer Tochter.
    Der blättrige Kokon des Kindes schmiegte sich in eine tiefe
Astgabel. Das kleine Mädchen war sicher in weiche weiße
Daunen gebettet; orangefarbene Haarsträhnen fielen ihm über
die gewölbte Stirn. Während der Saft des Baums durch
den fahlen Strang der Bauch-Wurzel strömte, die in ihrem Magen
mündete, regte das Kind sich und brabbelte etwas vor sich hin.
Es hatte den kleinen Daumen in den Mund gesteckt und träumte
grüne Träume.
    … Etwas stimmte nicht. Ultima war zwar keine begnadete
Analytikerin, aber auf ihre Instinkte konnte sie sich verlassen. Sie
strich über den zottigen roten Pelz am Bauch des Kindes und
strich das flauschige baumwollartige Futter des Kokons glatt. Das
kleine Mädchen wimmerte und drehte sich im Schlaf um. Ultima
konnte machen, was sie wollte, dieses unbehagliche Gefühl wollte
einfach nicht weichen. Nervös richtete sie den Kokon her.
    Der Wind schwoll an wie ein machtvoller Atem.
    Ultima stieg höher ins schützende Geäst des Baums. Hastig wickelte sie sich in ihren Kokon und schloss den
Blatt-Ver-schluss. Die Blätter waren dick und zäh, wie
Platten einer ledernen Rüstung. Die anderen Leute taten es ihr
nach und richteten sich auf den Ästen ein, sodass es aussah, als
ob der Baum plötzlich große schwarze Früchte
triebe.
    Die Wolken jagten über den Himmel und hielten die sengende
Hitze einer allzu heißen Sonne zurück. Ultima schaute zum
Himmel hinauf. Neugier war keine verbreitete Regung mehr, wo die Welt
über weite Spannen von Zeit und Raum mehr oder weniger
unverändert war. Doch heute war ein anderer Tag. Sie
hatte die Luft noch nie so feucht, schwer und drückend empfunden
und noch nie so dräuend schwarze Wolken gesehen.
    Und im letzten Moment, ehe das Unwetter losbrach, sah sie
flüchtig etwas anderes.
    Auf dieser vom Zahn der Zeit abgenagten Ebene lag eine
Sphäre. Sie war doppelt so groß wie sie. Sie war weder
blau wie der Abendhimmel noch rostrot wie der Erdboden oder die Farbe
des Sands wie die meisten Kreaturen auf der Welt. Stattdessen war sie
eine schillernde Mischung aus Purpur und Schwarz, den Farben der
Nacht.
    An diesem seltsamen Tag war hier etwas
Außergewöhnliches erschienen. Sie schaute mit offenem Mund
hin, ohne zu begreifen, was sie da sah. Aber sie spürte, dass
dieses Ding nicht von ihrer Welt war. In dieser Beziehung hatte sie
Recht.
    Nun blitzte es, und sie vergrub wimmernd das Gesicht im Grün.
Die Blätter schlossen sich um sie und hüllten sie ein. In
der Wärme und Dunkelheit wurde die Luft angenehm feucht. Als
jedoch die Bauch-Wurzel nach der ventilartigen Öffnung im Bauch,
direkt unter dem Nabel tastete, schob sie sie weg. Sie suchte hier
nur Schutz und hatte dem Baum heute nichts zu geben.
    Und dann brach der Sturm los.
    Wind und Staub kamen wie eine rote Wand von Westen angerast.
Vertrocknete Pflanzen wurden zerrissen. Selbst die verstreuten,
majestätischen Bäume wurden geschüttelt und verloren
Äste. Leute und andere Symbionten wurden zu ihrem Entsetzen aus
den Kokons gerissen und davon gewirbelt.
    Die ersten Regentropfen, die wie Geschosse aufschlugen,
kündigten einen apokalyptischen Wolkenbruch an. Der Regen war so
stark, dass er sogar die steinharten Oberflächen der uralten
Termitenhügel angriff. Es gab nichts, was das Wasser aufzunehmen
vermocht hätte, kein Gras, um den Erdboden festzuhalten. Nach
ein paar Minuten schoss Wasser durch jede ausgetrocknete Rinne und
durch jedes

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