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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein. Aber er vermochte sie nicht zu
knacken. Nachdem der Elasmosaurus sich ein paar Zähne am
Gehäuse ausgebissen hatte, ließ er es fallen. Es sank
wieder auf den Meeresboden. Frustration und Schmerz tobten in seinem
eindimensionalen Bewusstsein.
    Der Ammonit war zwar heftig durchgeschüttelt worden, doch
sonst war ihm in seinem gepanzerten Haus nichts passiert.
    Ein junger Ammonit war aber etwas unvorsichtig gewesen. Mit
ungerichteten Stößen seines Staustrahlmechanismus suchte
er sein Heil in der Flucht.
    Nun wurde der Elasmosaurier für die misslungene Jagd
entschädigt. Geschickt ritzte er das Spiralgehäuse mit den
Zähnen an der Stelle auf, wo der Körper an der Innenwand
aufgehängt war. Dann schüttelte er das Gehäuse
kräftig, bis der lebendige Ammonit ins Wasser purzelte. Zum
ersten Mal in seinem Leben war er nackt. Die Fischechse schluckte ihn
am Stück hinunter.
    Nun machte der Elasmosaurier eine Wolke im Wasser aus und
stieß ohne zu zögern hinein.
    Die Wolke war eine Schule aus Belemniten und zählte ein paar
tausend Tiere. Die kleinen Kalmare hatten sich zum Schutz
zusammengerottet, und die Verteidigungssysteme in Form von
Wächtern, Tinte und ›Tarnen und Täuschen‹
erfüllten normalerweise auch bei so schnellen Räubern wie
diesem Elasmosaurier ihren Zweck. Sie waren jedoch vom
ungestümen Angriff dieser Kreatur überrascht worden. Sie
stoben davon, nebelten den großen Feind mit Tinte ein und
sprangen sogar aus dem Wasser in die kometenhelle Luft. Trotzdem
starben hunderte von ihnen: jeder mit einem winzigen Bewusstsein,
jeder auf seine Art unverwechselbar und einzigartig.
    Inzwischen hatte der Ammonit, der die Krabbe erlegt hatte, die
Schale wieder vorsichtig geöffnet. Eine Muskelröhre schob
sich aus der Öffnung, und dann schoss ein Wasserstrahl heraus,
auf dem der Ammonit in die Höhe ritt. Er hatte die Krabbe
verloren. Aber egal. Er würde eine neue Beute finden.
    Das war der Lauf der Dinge. Es war eine Zeit brutaler
Raubzüge, zu Wasser und zu Land. Mollusken jagten Ammoniten,
durchbohrten Schalen, vergifteten Beutetiere und schossen
tödliche Pfeile ab. Im Gegenzug hatten die Muscheln gelernt,
sich tief in den Meeresboden einzugraben und Stacheln und massive
Gehäuse ausgebildet, um Angreifer abzuschrecken. Napfschnecken
und Rankenfüßler hatten sich aus der Tiefsee
zurückgezogen und kolonisierten die seichten
Küstengewässer, wo nur die hartnäckigsten Jäger
sie zu erreichen vermochten.
    In den Meeren wimmelte es von räuberischen Reptilien. Fleisch
fressende Schildkröten und langhalsige Plesiosaurier
ernährten sich von Fischen und Ammoniten. Dann gab es noch die
Pterosaurier, fliegende Reptilien, die gelernt hatten, nach den
Reichtümern des Meeres zu tauchen. Und diese Räuber wurden
wiederum von großen Pliosauriern mit ihren mächtigen
Kiefern ins Visier genommen. Sie erreichten eine Länge von
fünfundzwanzig Metern, wobei allein das Maul schon drei Meter
lang war. Die Pliosaurier, deren einzige Strategie darin bestand,
ihre Beute durchzuschütteln und zu zerreißen, waren die
größten Fleischfresser in der Geschichte des Planeten.
    Die Meere der Kreidezeit waren ein unerschöpfliches Reservoir
des Lebens, ein dreidimensionales Ballett von Jägern und
Gejagten, von Leben und Tod. So war es für viele Jahrmillionen
gegangen. Doch nun erschien ein immer helleres Licht über der
glitzernden Oberfläche des Meeres, als ob die Sonne vom Himmel
fiele.
    Das Auge des Ammoniten drehte sich nach oben. Das Tier war
intelligent genug, um so etwas wie Neugier zu verspüren. Das war
neu. Was das wohl war? Aber die Vorsicht überwog: Neues war in
der Regel gefährlich. Der Ammonit zog sich wieder ins
Gehäuse zurück.
    Doch diesmal vermochte nicht einmal die mobile Festung ihn zu
schützen.
     
    Der Komet durchstieß in Sekundenbruchteilen die
Atmosphäre der Erde. Er verdrängte die Luft um sich herum,
blies sie ins All und hinterließ einen Tunnel aus Vakuum auf
dem Weg, den er genommen hatte.
    Der Ammonit war direkt im Zielpunkt des Kometen. Es war, als ob
der Himmel mit einem großen glühenden Deckel abgedeckt
würde. Die Masse des Ammoniten verdampfte, und er verging.
Genauso wie die Belemniten. Wie der Elasmosaurier. Wie die Austern
und Muscheln. Wie das Plankton.
    Die Ammoniten hatten seit über dreihundert Millionen Jahren
die Weltmeere bewohnt und Tausende Arten ausgeprägt. Innerhalb
eines Jahres würde jedoch keine einzige mehr existieren. Und
schon in diesen ersten

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