Evolution
und begruben ihn in körniger
Dunkelheit.
Doch genauso schnell wie sie gekommen war, ebbte die Schockwelle
auch wieder ab.
Als Suchomimus spürte, dass das Erdbeben nachließ, grub
er sich aus. Er nieste, um die Nase vom Sand zu befreien, wischte mit
den durchscheinenden Augenlidern die Augen frei und rappelte sich
auf.
Dann machte er ein paar vorsichtige Schritte. Der neue Boden war
mit Geröll übersät, trügerisch und erschwerte das
Gehen.
Die Küstenebene war nicht mehr wieder zu erkennen. Die
Düne, hinter der Suchomimus Deckung gesucht hatte, war
niedergerissen. Die Jahrhunderte lange, geduldige Arbeit des Winds
war in Sekunden zunichte gemacht worden. Die Ebene war mit Schutt
übersät: mit zerbröseltem Gestein, Schlick vom
Meeresboden und sogar mit Seetang und kleinen Meerestieren. Über
ihm brodelten nordwärts ziehende Wolken.
Der Lärm dauerte an. Es ertönten laute Salven wie von
Geschützfeuer, als die Schallmauer durchstoßen wurde. Aber
Suchomimus hörte nichts von alledem. Beim Durchgang der ersten
Schockwelle waren ihm schon die Trommelfelle geplatzt, und er hatte
das Gehör verloren.
Überall lagen Dinosaurier herum.
Auch die größten Entenschnäbel waren zerschmettert
worden. Sie lagen mit gebrochenen Knochen und grotesk verrenkt unter
Sandverwehungen und Schlick. Eine Gruppe Raptoren lag in einem
verworrenen Knäuel aus schlanken Leibern da. Alt und Jung lagen
wirr durcheinander, Eltern neben ihren Kindern, Räuber mit der
Beute, alle im Tod vereint. Von den meisten Naturkatastrophen wie
Fluten und Bränden wurden die Schwächsten und Kranken, die
Jungen und Alten am schlimmsten heimgesucht. Oder bestimmte Arten
– zum Beispiel durch Epidemien, die über eine
Landbrücke zwischen den Kontinenten eingeschleppt worden waren.
Diesmal war jedoch niemand verschont worden – niemand
außer ein paar Glücklichen wie Suchomimus.
Suchomimus sah einen silbernen Fisch, der in Sekunden über
ein Dutzend Kilometer versetzt worden war. Er lebte noch und
zappelte. Der Magen von Suchomimus knurrte leise. Selbst im Angesicht
des Weltuntergangs hatte er Hunger.
Aber der Sturmwind hatte sein Werk noch nicht beendet. Über
dem Meer strömte die Luft zurück, um das an der
Einschlagstelle entstandene Vakuum auszufüllen. Es war wie ein
gewaltiger Atemzug.
Der mit dem Fisch spielende Suchomimus sah die Wand aus Dunkelheit
erneut herannahen. Diesmal kam sie jedoch aus dem Landesinnern und
war mit Schutt gespickt, mit Erde, Gestein, entwurzelten Bäumen
und sogar einem riesigen Tyrannosaurier, der in der Luft
umhergewirbelt wurde.
Wieder vergrub Suchomimus sich im Sand.
Das Inferno des Kraters zog immer weitere Kreise, wie Wellen um
einen ins Wasser geworfenen Stein. Weiter landeinwärts, wo Riese
das Tyrannosauriernest geplündert hatte, hatte die
Schockwellenfront eine so lange Schneise geschlagen, dass sie einmal
um den Mond gereicht hätte.
Im Gefolge der sich ausbreitenden Wellenfront entstanden
Tornados.
Für Riese war der Wirbelsturm eine Röhre aus Dunkelheit,
die Himmel und Erde miteinander verband. Zu seinen Füßen
wurden splitterartige Gebilde aufgewirbelt und senkten sich wieder
herab. Die Vorfahren des Gigantosaurus hatten einen ganzen Kontinent
erobert. Riese stellte sich mit wackelndem Kopf auf die Hinterbeine
und peilte die nahende Bedrohung an.
Aber das war kein Rivale in Gestalt eines Artgenossen. Der
Wirbelsturm kam bedrohlich näher.
Schließlich fokussierte irgendetwas im Bewusstsein von Riese
sich auf die Zweige zu Füßen dieses klimatischen
Ungeheuers. Diese ›Zweige‹ waren Bäume, Redwoods, Ginkgos und Baumfarne, die wie Tannennadeln verstreut
worden waren.
Seine Brüder stellten die gleichen Überlegungen an. Dann
wandten die drei sich zur Flucht.
Der Tornado schlug eine Schneise in den Wald, knickte Bäume
um und wirbelte Felsbrocken umher. Tiere, die fünf Tonnen und
mehr wogen, wurden durch die Luft geschleudert – riesige,
träge Pflanzenfresser, die urplötzlich den Bodenkontakt
verloren. Die meisten starben am Schock, noch ehe sie wieder auf dem
Boden aufschlugen.
Purga schlief in ihrem Bau. Durch die bebende Erde wurde sie
wachgerüttelt. Sie und ihr Gefährte nahmen die beiden
Jungen in die Mitte und lauschten dem Heulen des Winds, dem Krachen
der umstürzenden Bäume und den Todesschreien der
Dinosaurier.
Purga schloss verwirrt und erschrocken die Augen und wünschte
sich, dass der Lärm verstummte.
Und im Vorgebirge der Rocky Mountains spürte
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