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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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In der Zukunft
würde Noths Linie weiter wandern, über das Dach der Welt
nach Europa einwandern und von dort weiter nach Asien und Afrika. Auf
diesem langen Marsch würden sie sich anpassen und ihre Gestalt
verändern. In Nordamerika würden jedoch in ein paar
Millionen Jahren die Nagetiere auf ganzer Linie siegen. Eine neue
Ökologie würde entstehen, die von Goffern,
Eichhörnchen, Packratten, Murmeltieren, Feldmäusen und
Streifenhörnchen bevölkert wurde. Es würde keine
Primaten mehr in Nordamerika geben: nicht für die nächsten
einundfünfzig Millionen Jahre, als menschliche Jäger, weit
entfernte Nachfahren des Notharctus, über die Beringstraße
von Asien her einwanderten.
    Als das Nagetier das Mahl beendet hatte, kroch Noth vorsichtig aus
seinem Versteck. Mit den beweglichen Händen sammelte er die
Reste der Kerne auf, die das Ailu hatte fallen lassen und stopfte sie
sich gierig in den Mund.
     
    Für ein paar Stunden am Tag wurde es am südlichen Himmel
noch hell. Aber die Sonne zog nun ihre Kreise unter dem Horizont. Die
Seen waren fast alle zugefroren, und die Bäume waren dick
vereist. An manchen schimmerten gespinstartige Splitter, wo der Nebel
Spinnennetze vereist hatte. Die Notharctus bewegten sich langsam und
träge durch die Bäume und über den stummen Waldboden.
Aber das spielte keine Rolle, denn der Wald vermochte ihnen in diesem
Herbst sowieso kaum Nahrung zu bieten.
    Dann kam ein letzter klarer Tag, als Schichten roter Wolken sich
an einem violetten südlichen Himmel auftürmten und die
purpur-grüne Aurora wie ein weiter Vorhang die Sterne
verhüllte.
    Die Notharctus stiegen zum Boden herab und gruben sich an Stellen,
wo Laubschichten das Gefrieren des Bodens verhindert hatten, oder
unter Baumwurzeln ein. In dieser Nacht würde es den bisher
strengsten Frost des Winters geben, und sie alle wussten, dass es
Zeit war, Schutz zu suchen. Also gruben die Primaten sich ein und
bauten Höhlen, in denen auch Purga sich wohl gefühlt
hätte. Es war, als ob die kurze Zeitspanne auf den Bäumen
nur ein Traum von Freiheit gewesen wäre.
    In tiefster Dunkelheit schob Noth sich durch Tunnel, die durch die
durchziehenden Primaten-Körper geglättet wurden. Der Boden
war mit Fellresten übersät. Schließlich führte
seine feine Nase ihn zu Rechts.
    Sanft beschnupperte Noth seine Schwester. Sie schlief schon. Sie
hatte sich in der Nähe von Groß zusammengerollt und den
Schwanz um sich gewickelt. In den Monaten bei der Sippe von
Größter war Rechts gewachsen; dennoch würde sie immer
klein bleiben und Züge des Kümmerlings aufweisen, der von
seinem nun toten Zwilling herumgestoßen worden war. Ihr
Winterfell glänzte noch immer seidig und war weder verfilzt noch
schmutzig. Der Schwanz war prall mit Fett gefüllt, das sie
über den Winter bringen würde.
    Noth verspürte eine Art Zufriedenheit. Angesichts der
schlechten Ausgangsvoraussetzungen im Sommer hatten die beiden sich
als wahre Überlebenskünstler erwiesen. Für Noth, der
selbst keinen Nachwuchs hatte, war Rechts seine einzige Verwandte
– seine ganze genetische Zukunft hing von ihr ab. Doch fürs
erste vermochte er nicht mehr für sie zu tun.
    In der Dunkelheit, eingetaucht in die Gerüche und
charakteristischen Geräusche seiner Art, schmiegte Noth sich eng
an seine Schwester. Er schloss die Augen und war bald
eingeschlafen.
    Kurz träumte er: von Splittern aus Sommerlicht, von langen
Schatten, davon, wie seine Mutter vom Baum gefallen war. Und als sein
Körper sich dann abschaltete, löste das Bewusstsein sich
auf.

 
IV
     
     
    Die fast horizontalen Sonnenstrahlen bohrten sich wie
Suchscheinwerfer in den Wald. Über den langsam auftauenden
Gewässern hing ein kühler Nebel. Er leuchtete in
präzisen rosig-grauen Wirbeln, eine Schönheit, die von
niemandem gewürdigt wurde. Von den kahlen Baumstämmen
erstreckten sich lange Schatten nach Norden. Doch schon knospten die
ersten Blätter an den kahlen Ästen. Kleine grüne
Scheiben hingen fast senkrecht, um das Sonnenlicht einzufangen. Die
Blätter waren bereits bei der Arbeit: Die Frühlings- und
Sommertage waren so kurz, dass diese robusten pflanzlichen Diener
jeden Lichtstrahl auffangen mussten, dessen sie habhaft wurden.
    Es war nur ein Streiflicht, eine Dämmerung, die nicht
länger als ein paar Minuten währte. Aber es war seit ein
paar Monaten das erste Mal, dass die Sonnenscheibe sich wieder
gezeigt hatte.
    Der Wald war still. Die großen Pflanzenfresser-Herden
befanden sich noch

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