Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Rolle gespielt; sie
hätten leicht andere paarungsbereite Weibchen gefunden und die
Spannung abgebaut, indem sie sich außerhalb von Weißbluts
Sichtweite heimlich gepaart hätten.
    Aber es gab eben keine größere Gruppe, in der sie Dampf
abzulassen, und keine Büsche, in die sich zu schlagen vermocht
hätten – und nichts zu essen außer trockenem Laub und
nichts zu trinken außer salzigem Meerwasser.
    Eines Tages spitzte die Lage sich zu.
    Knäuel war wieder einmal ein richtiger Zorngickel. Sie tobte
auf dem Floß umher, wobei sie dem geduldig wartenden Meer
gefährlich nahe kam, zerrte an Blättern und Rinde und
stieß kehlige Schreie aus. Sie war abgemagert, und das
schmutzige Fell schlackerte ihr um den kleinen Körper.
    Diesmal verscheuchten die Männchen sie jedoch nicht mit einem
Klaps. Stattdessen musterten die drei sie mit einer Art
Berechnung.
    Schließlich sammelte Fleck Knäuel ein. Sie drückte
das Kind an die Brust und säugte es, obwohl sie keine Milch mehr
hatte.
    Weißblut kam auf Fleck zu. Normalerweise näherte er
sich ihr allein, doch diesmal wurde er von Brille, dem
größeren der Brüder gefolgt. Der weiße Fellrand
um die Augen glänzte in der grellen Sonne. Brille kämmte
Fleck, und Weißblut setzte sich neben ihn. Allmählich
rückten die Finger zu ihrem Bauch und den Genitalien vor. Das
war ein eindeutiges Vorspiel zur Paarung.
    Fleck zog sich mit einem erschrockenen Blick zurück.
Knäuel klammerte sich noch immer an ihren Bauch. Weißblut
streichelte ihr jedoch beruhigend den Rücken, bis sie sich
setzte und die Annäherung von Brille wieder zuließ. Obwohl
Brille ihm ständig nervöse Blicke zuwarf, griff
Weißblut nicht ein.
    Streuner, die es sich in einer Astgabel bequem gemacht hatte,
starrte auf die Männchen. Ihr Verhalten erstaunte sie auf eine
Art und Weise, wie Noth es nie zu empfinden vermocht hätte. Je
komplexer das Bewusstsein der Primaten wurde, desto stärker
schien – mit der einzigartigen Läuterung als Ursprung
– eine Art Selbst-Bewusstsein von ihren immer sozialeren
Nachkommen auszustrahlen. All das befähigte die Anthros, neue
komplexe und subtile Bündnisse zu schließen und
Hierarchien zu bilden – und neue Täuschungsmanöver zu
inszenieren. Noth hatte ganz genau gewusst, wo sein Platz in der
Hierarchie und den Bündnissen seiner Gesellschaft war. Die
Anthros waren indes schon einen Schritt weiter: Streuner wusste, dass
sie einen niedrigeren Rang innehatte als Fleck, aber sie kannte auch
die relativen Positionen der anderen. Sie wusste, dass ein ranghohes
Männchen wie Weißblut dieses Verhalten von Brille
eigentlich nicht zulassen dürfte – und nicht nur das; er
schien ihn sogar noch zu ermutigen, sich mit ›seinem‹
Weibchen zu paaren.
    Schließlich stellte Brille sich hinter Fleck und legte ihr
die Hände auf die Hüfte. Fleck schickte sich ins
Unvermeidliche. Während sie Brille das rosige Hinterteil darbot,
nahm sie das schläfrige Kind von der Brust und hielt es Streuner
hin.
    Und dann machte Weißblut einen Satz. Mit der Präzision
des auf Bäumen lebenden Primaten, der er schließlich war,
entriss Weißblut Fleck das Kind. Er packte das Kind im Genick
und lief zu Linkshänder, schnell gefolgt von einem nervösen
Brille.
    Fleck schien von dem Vorgang überrascht. Sie starrte
Weißblut an, wobei das Hinterteil noch dem verschwundenen
Männchen entgegengereckt war.
    Die Männchen hatten einen Kreis gebildet. Die pelzigen
Rücken wirkten wie eine Wand. Streuner sah, wie Weißblut
Knäuel wiegte, fast als ob er sie säugen wollte. Das Baby
zappelte mit den Beinchen und schaute gurgelnd zu Weißblut auf.
Dann legte Weißblut ihr die Hand auf den Kopf.
    Plötzlich begriff Fleck. Sie heulte auf und machte einen
Satz.
    Aber die Brüder stellten sich ihr entgegen. Jedes dieser
halbwüchsigen Männchen war größer als sie.
Obwohl sie Bedenken hatten, sich einem ranghohen Weibchen
gegenüber feindselig zu verhalten, wehrten sie sie mit Klapsen
und Schreien leicht ab.
    Weißblut schloss die Hand. Streuner hörte das Knacken
von Knochen – ein Geräusch, als ob ein Dickbauch in ein
knackiges Blatt bisse. Das Baby zuckte konvulsivisch und erschlaffte.
Weißblut schaute für einen Moment auf den kleinen
Körper und betrachtete das im Todeskampf verzerrte olivfarbene
Gesicht mit einem wechselnden Gefühlsausdruck. Und dann fielen
die Männchen über den winzigen Körper her. Ein Biss
ins Genick, sodass der Kopf fast abgetrennt wurde; Weißblut
zerrte an den

Weitere Kostenlose Bücher