Evolution
möglichst viele Männchen auf ihre
Fruchtbarkeit aufmerksam machen. Einmal bewirkte die daraus
resultierende Konkurrenz eine hohe Qualität der Bewerber, ohne
dass sie sich die Mühe machen musste, den Besten auszusuchen.
Und wenn alle Männchen der Gruppe zur gleichen Zeit sich mit ihr
paarten, vermochte sich keins sicher zu sein, wer denn nun der Vater
eines Babys war. Deshalb riskierte ein Männchen, das versucht
war, ein Baby zu töten, um den Fruchtbarkeits-Zyklus eines
Weibchens zu beschleunigen, die Ermordung seines eigenen Nachwuchses.
Die Schwellung, mit der sie den Eisprung ›publik‹ machte,
war für Fleck also eine Möglichkeit, die Männchen um
sie herum mit minimalem Aufwand zu kontrollieren und zugleich das
Risiko eines Kindsmords zu verringern.
Allerdings gab es auf diesem kleinen Floß nur ein
ausgewachsenes Weibchen, das Weißblut mit niemandem teilen
würde. Also saßen Brille und Linkshänder zu Statisten
degradiert nebeneinander und kauten auf Blättern herum,
während die erigierten Penisse aus dem Fell stachen. Sie mussten
sich damit begnügen, Flecks prächtige Schwellung zu
bewundern. Jedes Mal, wenn sie eine Annäherung an Fleck
versuchten oder sie gar zaghaft zu kämmen versuchten, geriet
Weißblut in Rage, erging sich in Drohgebärden und
attackierte den Vorwitzigen.
Was Streuner betraf, so wäre sie Fleck als Fremde immer
untergeordnet. Dennoch war sie in dieser Ausnahmesituation Fleck
schnell so nahe gekommen wie ihren Schwestern.
Wenn Weißblut und Fleck kopulierten, nahm Streuner sich oft
Knäuel an. Nach ein paar Tagen hatte Knäuel Streuner als
eine Tante ehrenhalber akzeptiert. Das kleine Gesicht des Babys war
kahl, und es hatte ein olivfarbenes Fell, mit dem es sich deutlich
von der Mutter abhob; es war eine Farbe, die bei Streuner und sogar
bei den Männchen einen Beschützerinstinkt weckte. Manchmal
spielte Knäuel allein und kletterte tapsig über die
verflochtenen Äste, doch viel lieber wollte sie sich an
Streuners Brust oder Rücken klammern oder von ihr im Arm
gehalten werden.
Die Aufgabe der Kinderaufzucht teilten die Anthros sich –
obwohl normalerweise nur Verwandte als Betreuer zugelassen waren.
Anthro-Kinder wuchsen viel langsamer als die Jungen aus Noths
Ära, weil die Entwicklung der Gehirne mehr Zeit in Anspruch
nahm. Obwohl die Anthro-Kinder im Vergleich zu den Menschenkindern
bei der Geburt schon gut entwickelt waren, waren sie doch hilflos,
schwach und völlig von der Mutter abhängig. Es war, als ob
Knäuel ein Frühchen wäre und das embryonale Wachstum
außerhalb des Mutterleibs abschloss.
Dadurch stand Fleck unter großem Druck. Achtzehn Monate lang
musste eine Anthro-Mutter die täglichen
Überlebens-Anforderungen mit den Pflichten der Kinderaufzucht
unter einen Hut bringen – und sie musste sich auch noch die Zeit
nehmen, ihre Schwestern, Artgenossinnen und potenzielle
Paarungsgefährten zu kämmen. Schon bevor sie auf dem
Floß gestrandet war, hatten diese Pflichten Fleck über
Gebühr strapaziert. Aber in der Gesellschaft der Weibchen um sie
herum hatten sich immer wieder ›Tanten‹ und
Kindermädchen gefunden, die ihr das Kind abgenommen und eine
Ruhepause ermöglicht hatten. Streuners Hilfe entlastete Fleck,
zumal Streuner auch ihre Freude daran hatte. Außerdem bereitete
sie sich so auf ihre eigene Mutterrolle vor. Und sie hatte reichlich
Zeit zum Kämmen.
Sie alle vermissten die Fellpflege. Das kam sie in diesem
ozeanischen Gefängnis am schwersten an. Weißblut zeigte
bereits Spuren von ›Überkämmung‹ durch seine zwei
jungen Diener; Kopf und Nacken wiesen schon kahle Stellen auf.
Deshalb freute Streuner sich, das Junge stundenlang zu
verwöhnen, indem sie das Fell sanft mit den Fingern zupfte,
kämmte und kitzelte.
Während die Tage ›ins Wasser‹ gingen, wurde das
ständig hungrige und durstige Kind jedoch zusehends quengelig.
Knäuel streifte übers Floß und giftete sogar die
Männchen an. Manchmal bekam sie einen Wutanfall, wobei sie das
Laub verwirbelte, ihre Mutter am Fell riss oder halsbrecherisch auf
dem Floß umher rannte.
All das setzte Fleck nur noch mehr zu und reizte die anderen.
So ging das Tag für Tag. Die Anthros, die auf diesem Splitter
der Trockenheit im Meer gefangen waren, gingen sich allmählich
auf die Nerven. Wenn sie mehr Platz gehabt hätten, hätten
sie sich dem lästigen Treiben des Kinds zu entziehen vermocht.
Wenn sie mehr gewesen wären, hätte die Eifersucht der
Jüngeren auf Weißblut keine
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