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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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das Autogramm konnte ich mich verbürgen. Ich hatte den Schriftzug tausendmal gesehen und sicher hundertmal damit unterzeichnet, wenn ich um ein Autogramm nicht herumkam und die Kameras zu klicken begannen.
    Es war echt, es war alles echt.
    Das schwarze Sweatshirt mit der Kapuze. Die weißen Buchstaben auf der Brust lauteten Ghost. Die limitierte Edition, die er über seine Website verkauft hatte. Natürlich, deshalb war es mir so bekannt vorgekommen.
    Vielleicht war Aaron darin gestorben.
    War das alles Zufall? Ich sehnte mich verzweifelt danach. Ghost hatte schließlich Millionen von Fans. Diese Truhe bedeutete nicht, dass eine unheimliche Verbindung zwischen Aarons Welt und meiner bestand, zwischen Annette und mir.
    Wie auch immer, die Schuldgefühle wegen Stacey, die nach meinem Zusammenstoß mit Annette an diesem Morgen wieder aufgelebt waren, verbanden sich jetzt mit Aarons Flüstern – schau was sie getan haben, schau was sie getan haben  – und dieser ganzen Ghost-Scheiße, und ich wusste, dass all das irgendwie zusammenhing und ich im Zentrum von irgendetwas stand, das schlimmer war, als ich mir je in meinen furchtbarsten Träumen ausmalen konnte. Die undefinierbare Schuld hing an mir wie ein nagelgespickter Klotz und zwang mich, nach einer Erklärung zu suchen, die rechtfertigte, was ich diesem Mann gegeben hatte; diesem Rapper, der zu meinem Alter Ego geworden war und der mir keine Ruhe ließ. Ich hatte das Gefühl, immer tiefer in mir selbst zu versinken, während ich ihn verteidigte, als ob wir beide Schuld trügen.
    Der Junge. Hatten Arthur und Annette es ihm erlaubt? Sie mussten doch gewusst haben, was ihr Sohn sich da anhörte. Hatten sie dem zermürbenden »Aber die anderen dürfen doch auch«-Gejammer nachgegeben? Oder waren sie einfach coole Eltern gewesen, die verstanden, dass Rap-Musik, egal, wie sehr sie Gewalt verherrlichte und Frauen pornographierte, nur Fiktion und manchmal sogar Kunst war? Akzeptierten sie, dass Ghost eine erfundene Persönlichkeit war, ein Identitätskonstrukt, geboren aus der Phantasie eines armen, aber äußerst intelligenten Kindes aus asozialem Milieu, die Antwort auf eine alptraumhafte Kindheit? War ihnen klar, dass der Inhalt seiner Musik seiner Umwelt und Inspiration entsprang, den ersten kleinen Fluchten: frühe Rapmusik, Horrorfilme, die Waffensammlung seines Vaters, der Medizinschrank seiner Mutter? Oder war die Erklärung viel einfacher? Vielleicht war Annette eine dieser Mütter, die jene Lyrik, die de Sade Konkurrenz machte, nicht dechiffrieren konnte, die Sorte, die nur den packenden Rhythmus und die reimenden Laute wahrnimmt und keine Ahnung hat, worüber ihr Sohn hinter seiner Schlafzimmertür da kichert, eingeschlossen in seinem iPod-Kokon.
    Vielleicht hatten sie und Arthur Ghosts Musik ja selbst gemocht (was allerdings bedeutet hätte, dass sie mich in dieser Hinsicht auch belogen hatte). Hassbriefe gegen Ghost stammten regelmäßig von Fundamentalisten und militanten Anhängern der Zensur: keine Überraschung. Aber die Fanpost stammte ebenso von japanischen Schulmädchen wie von amerikanischen Vorstadtkindern beiderlei Geschlechts und aller Farben, und, jawohl, von Eltern. Erwachsenen. Gebildeten, kultivierten Menschen. Mehr, als ich mir hätte vorstellen können.
    Es lag nicht nur an seiner Musik, die neben dem Schlachterbeil auch immer einen Pop-Köder enthielt. Ghosts kantige Aufrichtigkeit und sein Charisma besaßen eine ganz typisch amerikanische Anziehungskraft, ebenso wie seine Erfolgsgeschichte, der Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär, und seine sehr zivilisierte Erscheinung (sprich: weiß, elegant). Er lief nicht in den Klamotten der Oakland Raiders herum, war keiner dieser Gangsta mit Rastafrisur, die in den 80ern das Establishment zu Tode erschreckt hatten. Er war einfach ein Typ mit dem Talent, die Opferrolle einzunehmen, harmlos genug, dass man ihn unter die Fittiche nehmen und ihm erklären wollte, dass er gar so schlimm auch nicht sei.
    Sie liebten ihn, weil er sich für sie den Arsch aufriss. Seine Dämonen und Obsessionen dienten ihrer Unterhaltung. Nur wenige populäre Künstler sind in der Lage oder willens, sich in einem solchen Maß zu öffnen. Aber Ghost konnte nicht anders. Es war sein Markenzeichen, seine Philosophie. Die Musik heilte ihn, doch er musste sich dafür vor Publikum zerfleischen. Es stand schon im Titel seines ersten Albums, Autotopsy , und es war ihm ernst damit.
    Aber Ghost verbrämte sein Selbstbild,

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