Ewig Böse
direkt in den Weg. Die roten Bremslichter leuchten auf. Dreißig Sekunden lang tut sich gar nichts. Stacey sieht bestimmt in den Rückspiegel und versucht einzuschätzen, was das bedeuten soll, wer diese Frau ist, was überhaupt los ist. Annette steht einfach nur da und bewegt sich nicht von der Stelle.
Stacey kommt zu Fuß aus der Garage. Sie trägt ihre vanillefarbenen Cargohosen, ein hübsches T-Shirt mit V-Ausschnitt und schickem Batikdruck, das Haar lose zurückgebunden, zu kurz, um es als Pferdeschwanz zu bezeichnen. Ihre Sonnenbrille mit dem gelben Gestell hat sie hoch auf den Kopf geschoben. Sie nähert sich Annette langsam, und an ihrer Haltung erkenne ich, dass sie besorgt und vorsichtig ist, aber durchaus bereit, dieser Fremden zu helfen. Etwa zwei Meter vor Annette bleibt sie stehen, beide Frauen sind jetzt im Profil zu sehen.
Annette sagt etwas. Stacey antwortet nicht. Annette spricht weiter, ihre Lippen bewegen sich ohne Ton. Stacey verkrampft sich. Sie verschränkt abwehrend die Arme vor der Brust. Annette redet immer noch, das Kinn nach Oprah-Art vorgereckt, und beschimpft Stacey. Sie sticht mit dem Zeigefinger auf das Haus ein, dann auf Stacey.
Stacey sieht sich hilfesuchend um, schüttelt den Kopf. Jetzt tritt sie vor, zahlt mit gleicher Münze zurück, wird lauter. Annette schlägt ihr die Sonnenbrille vom Kopf. Stacey prallt zurück, presst eine Hand auf die Wange. Sie verschwindet in der Garage und kommt gleich darauf mit ihrem Handy zurück und schüttelt es drohend. Annettes Zeigefinger zuckt noch zweimal vor, dann macht sie auf dem Absatz kehrt und marschiert zum Wagen zurück.
Stacey tippt eine Nummer in ihr Handy. Sie möchte offensichtlich, dass Annette das mitbekommt, und wirft einen Blick auf ihren Wagen und zu mir herüber (und für einen winzigen Sekundenbruchteil begegnen sich unsere Blicke und durchbohren mein schwarzes Herz wie ein Spieß), dann sieht sie wieder auf das Handy. Sie gibt das Nummernschild ein.
Annette hat den Wagen erreicht. Ich sehe sie nicht, höre aber, wie sie die Fahrertür aufreißt, und sehe vor meinem inneren Auge, wie Rick fast herauskippt.
»Rutsch rüber!«
»Häh? Was los? Was ist passiert?«, fragt Rick noch halb im Schlaf.
»Aus dem Weg. Ich fahre.«
Rick schiebt sich auf den Beifahrersitz. Der Motor springt an.
Weiter vorne hebt Stacey ihr Handy ans Ohr und wendet sich zurück zur Garage.
»Die verdammte Schlampe schreibt unsere Nummer auf«, sagt Annette.
»Wer?« Eine Pause entsteht, vermutlich bis Rick Stacey wahrgenommen hat. »Herrgott. Wer zum Teufel ist das?«
»Sie sagt, sie kennt ihn nicht, aber sie lügt«, schnappt Annette. »Sie hält ihn versteckt. Damit kommt er nicht durch.«
»Was hast du getan?«, stöhnt Rick.
»Sieh zu, dass du alles filmst, falls er auf mich losgeht. Ich will es auf Band.«
»Hast du den Verstand verloren?«, fragt Rick leise.
»Mach schon!«
Rick nimmt die Kamera.
Stacey tritt wieder in die Einfahrt. Sie hält das Telefon ans Ohr, könnte gerade eine Beschreibung des Fahrzeugs durchgeben. Oder mich anrufen. Vielleicht ist es der Anruf um 9:12 Uhr. Sie geht auf und ab, verschwindet wieder in der Garage.
Rick meint: »Du hast gesagt, nur wenn er allein ist. Ich mache da nicht mit. Nicht, solange sie da ist.«
»Na schön, na schön, vergiss es«, sagt Annette. »Wir kommen später wieder.«
Der Motor heult auf, sie legt den Gang ein, rast los.
Es sind noch fünfzehn Meter bis zur Garage. Dann sechs.
Drei.
Stacey tritt heraus und zuckt zusammen. Ihr Körper versteift sich, als der rechte Kotflügel sie erwischt. Sie wird aus dem Bild geschleudert, und Annette bremst. Der Aufprall ist dumpf, nicht lauter als ein Apfel, der auf ein Scheunendach fällt.
»Scheiße!«, schreit Annette. »Nein!«
Stacey ist nirgends zu sehen. Keiner bewegt sich oder reagiert.
»Wo ist sie hin?«, fragt Rick ganz leise.
Annette antwortet nicht.
»Herrgott noch mal, fahr zurück! Sie könnte vor dem Auto liegen!«
»Brüll mich nicht an!«, schreit Annette.
Der Wagen schießt ein Stück nach vorne, dann setzt er jaulend zurück. Etwa halb so weit entfernt von der Garage wie zuvor bleibt er stehen. Einer von ihnen atmet schwer. Stacey ist nicht zu sehen.
»Entspann dich«, sagt Annette. »Wir haben sie kaum gestreift.«
Stacey kommt aus der Garage gestolpert. Sie hält sich die Hüfte und humpelt. Ich kann kein Blut sehen. Sie wirkt schockiert und ungläubig, und ja, ich kenne diesen Blick voll entbranntem
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