Ewig Böse
Zorn. Sie ist auf hundertachtzig und bereit, den Kampf aufzunehmen.
»Du blöde Schlampe!«, kreischt Stacey. Ihre Stimme klingt gedämpft, weit entfernt, ist aber im Wagen deutlich zu vernehmen. »Du bist tot! Mein Mann wird dich umbringen!«
Rick plappert vor sich hin. »Zu viele Zeugen, kann man nicht vertuschen, nicht in dieser …«
»Du bist genauso schuldig«, sagt Annette. »Ich werde ihnen deinen Namen sagen.«
»Stell den Motor ab, und gib mir die Schlüssel.«
»Lass mich nachdenken«, sagt Annette. Ihr Wutanfall ist vorüber. Sie ist ganz ruhig.
Staceys Hand zittert zu sehr. Sie kann die Nummer nicht eintippen. Sie hält das Handy mit beiden Händen, konzentriert sich, dann taumelt sie und legt die Hände vor den Mund. Aufheulend zeigt sie mit dem Telefon in unsere Richtung, blickt dann zurück in die Garage. Sie spricht mit jemandem. Hilfe ist unterwegs.
Da ist noch jemand in der Garage.
Rick schreit: »Es ist vorbei! Wir müssen hier weg!«
Der weiße Schatten gleitet aus der Garage, ist plötzlich einfach da.
Er stützt Stacey. Ein Mann.
»Ich wusste es! Die verlogene Schnalle!« Annettes Stimme kippt. »Er ist tot, mausetot.«
Ghost. Ghost eilt in roten Jogginghosen und mit bloßen Füßen Stacey zu Hilfe, er hält sie fest, seine Haare sind völlig zerzaust, als ob er direkt aus dem Bett kommt, aber sie sind blond, weißblond, und seine Arme und der entblößte Bauch sind mit Tattoos übersät. Sie lehnt sich an seine Schulter. Endlich ist sie in Sicherheit. Er greift an seinen Hosenbund und hält plötzlich eine Pistole in der Hand. Es ist seine Lieblingswaffe, schwarz und stumpfnasig, eine Glock 27. Er wendet sich ab, schiebt Stacey auf die Garage zu, aber er lässt die beiden Psychos nicht aus den Augen.
»Na los!«, schreit er. »Aussteigen! Zeigt euch!«
»Bring sie um, knall die Scheißschlampe ab!«, brülle ich in Ricks Keller. Mein Rückgrat fühlt sich an, als würde es aus Glasscherben bestehen, und ich hüpfe auf der Couch auf und ab und schreie mein Plasmafenster zu der Welt da draußen an.
»Ich hab dir doch gesagt, er trägt eine Waffe«, sagt Rick, und die Kamera wackelt. »Fahr zurück!«
Annette fährt nicht zurück.
Der Motor heult auf, und alles kommt in Bewegung.
Ghost dreht Stacey herum und richtet mit dem anderen Arm die Pistole auf den Wagen, während der Abstand immer kleiner wird. Die Glock ruckt – POP - POP ! –, und Stacey rollt sich zu einem Ball zusammen, entgleitet seinen Armen. Ein Spinnennetz von Rissen entsteht auf der Windschutzscheibe, während zwei Löcher sichtbar werden, und Ghost brüllt, und ein dritter Schuss macht POP , und Annette schreit auf, und dann kommt der Aufprall. Stacey ist nur noch ein dumpfes Geräusch, und Ghost springt vor, mit dem Kopf voran, als wollte er wie Superman über das Auto hinweghechten, aber er ist nicht Superman, sein Kopf knallt gegen die Oberkante der Windschutzscheibe, und mitten in der Luft erschlafft sein Körper, bevor er über der Motorhaube zusammenklappt, abgeworfen wird und unter dem Wagen verschwindet. Annette setzt das Auto gegen einen Telefonmasten und zerquetscht meine geliebte Stacey, und dann geht die Kamera in den freien Flug über, prallt als Querschläger von der von tausend Rissen durchzogenen Scheibe ab und fällt zu Boden.
Ein Mann stöhnt. Der Motor heult auf, und der Wagen setzt wieder zurück. Der Bildrahmen – ob er den Sitz oder die Fußmatten zeigt, kann man nicht genau erkennen – schlägt einen doppelten Salto, begleitet von einem furchtbaren Schrei. Sie haben auf einer Seite gerade ein sehr großes Hindernis überrollt.
Rick ächzt gotterbärmlich.
»Sei still!«, sagt Annette. »Sonst bring ich dich verdammt noch mal auch um!«
Der Motor im Leerlauf.
Der Bildschirm wird schwarz.
Ruhige Einstellung, die den Boden zeigt, den unkrautüberwucherten, von Ölflecken übersäten Schotterbelag der Einfahrt. Alles ist still. Langsame Fahrt. Ghost liegt auf dem Rücken. Er blutet aus Ohren und Mund und Nase. Seine Brust hebt und senkt sich nicht. Seine Augen sind leer, blicklos, zum Himmel gerichtet, und eines davon ist rot unterlaufen, der Augapfel ist voller Blut. Eine große schwarze Ameise krabbelt über sein Kinn und seinen Hals hinunter.
»Siehst du?«, sagt Annette. Ihre Stimme ist dumpf, schwer, sinnlich. Niemand antwortet ihr. »Wer ist jetzt ein Geist?«
Die Kamera schwenkt langsam nach rechts. Stacey liegt neben Ghost ausgestreckt. Sie ist in noch schlimmerem
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