Ewig Böse
weiß nicht, warum.
Er setzt sich auf, geht zum Telefon und schlägt das Telefonregister auf, in dem sie in ihrer zierlichen Schrift alle Nummern notiert hat, wie aus der Hand einer Frau aus einem anderen Zeitalter. Warum macht sie sich die Mühe, wenn doch jedes Handy ein Adressbuch hat?
So ist es hübscher.
Er ruft im Marina Gartenzentrum an und fragt nach ihr, aber sie sagen, dass sie heute keinen Dienst hat. Er ruft die Kunstgalerie in Culver City an, und ein Mann macht ihn darauf aufmerksam, dass Stacey dort seit fast sechs Monaten nicht mehr arbeitet. Er ruft zwei ihrer Freundinnen an, erst Rowina und dann Jessica, aber sie wissen nicht, wo sie ist, und machen den Eindruck, dass sie ihn nicht besonders gut leiden können.
Er legt das Telefon weg und geht in die Küche. An der Spüle trinkt er ein Glas Wasser. Er ist wütend. Ständig läuft sie davon. Sie ist deprimiert, schluckt viel zu viele Pillen. Sie ist so unglücklich. Warum hat er nicht besser auf sie aufgepasst? Wie konnte er zulassen, dass es so schlimm wird? Er ist nie da, immer bei der Arbeit, auf Tour. Aber das ist keine Entschuldigung. Er weiß, dass es an ihm liegt. Er hat seine eigene Frau gemieden.
Die Frau, die ich liebe, braucht meine Hilfe. Sie schafft es nicht allein. Es ist meine Aufgabe, ihr zu helfen. Ich mache es wieder gut. Sobald sie zurückkommt, werde ich sie in die Arme nehmen und ihr sagen, dass wir hier wegziehen, ganz von vorne anfangen, ich kündige, es wird Zeit für ein Baby.
Wo ist Stacey?
Ihr ist etwas zugestoßen. Ich fühle es tief in mir drin. Ich spüre es überall hier. Es ist wie eine giftige Decke, eine toxische Blase, die das Haus und ganz West Adams umschließt. Es war immer eine gefährliche Gegend, bis jetzt haben wir zwar Glück gehabt, aber nun weiß ich es. Es ist am Ende doch geschehen.
Er wirft einen Blick in den Garten und bemerkt, dass das Garagentor offen steht. Es sieht aus wie ein gähnender schwarzer Schlund. Aus der Tiefe blinkt ihm ein weißer Glanz entgegen. Ihr Wagen. Ihr Wagen steht noch in der Garage. Sie ist weg, aber ihr Wagen hat die Garage nie verlassen. Eine schreckliche Vorahnung überfällt ihn. Er will nicht hinaus.
Aber er muss.
Auf dem Weg durch den Garten widersteht er dem fast übermächtigen Drang, fortzulaufen. Einen Moment lang kehrt der Schwindel zurück, und er fühlt sich schwach, zu schwach um auch nur zu stehen, doch das überwindet er. Er geht in die Garage und bleibt neben dem Wagen stehen. Die Fahrertür ist weit geöffnet, und im Dosenhalter in der Mittelkonsole sieht er eine Tasse mit milchig brauner Flüssigkeit. Staceys Morgenkaffee. Sahneklumpen schwimmen darin herum. Sie hat morgens schon immer gerne Eiskaffee getrunken. Das Eis ist geschmolzen.
Rechts von ihm steht das Außentor der Garage ebenfalls offen, und das Heck des Wagens ragt ein kleines Stück in die Straße hinaus. Stacey muss ausgestiegen sein, weil ihr etwas im Weg war.
Aber warum ist sie nicht zurückgekommen? Warum hat sie ihr Auto zurückgelassen? Ist sie am Ende mit einem anderen Mann durchgebrannt? Vielleicht liebt sie mich nicht mehr. Vielleicht hat er sie abgeholt, um mit ihr in ein besseres Leben davonzubrausen. Oder sie ist entführt worden. Von irgendeinem kranken Scheißkerl, der sie in seinen Van gezerrt hat und jetzt schon auf halbem Weg nach Utah ist.
Bruchstücke eines verstörenden Popsongs schwappen ihm durchs Hirn, und er summt mit, doch der Text entfällt ihm ebenso schnell wie die Musik.
Er verlässt die Garage und tritt auf die Straße hinaus. Die Sonne steht tief, und der Verkehrslärm vom Highway summt auf der anderen Seite des Lärmschutzwalls. Er dreht sich um und sieht eine orangefarbene Couch. Vandalen sind darüber hergefallen und haben die Polster aufgeschlitzt. Neben der Couch liegt ein zusammengerollter Teppich, eine schmutzig braune Tortilla. Unkraut klebt daran, und im Staub sind Schleifspuren. Jemand hat den Teppich kürzlich erst hierher gezerrt.
Er folgt den Spuren – und anderen, die wie Reifenabdrücke aussehen – bis zu dem Unkrautnest, wo der Teppich vorher gelegen hat. Die Pflanzen dort sind plattgedrückt und ausgebleicht vom Lichtmangel. Es gibt zwei Sätze von Fußabdrücken. Die von der Person, die den Teppich geschleift hat – und ein weiteres Paar. Deutlicher, frischer. Diese neueren Fußabdrücke nehmen ihren Ausgang an dem Teppich und entfernen sich davon … zur Garage.
Die stammen von mir. O Gott, das sind meine.
Er kehrt zurück
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