Ewig Böse
Stich. Er sieht an sich herab, seine Hosen sind dreckig und zerrissen. Er ist schmutzig, von klebrigen Rückständen bedeckt, ohne Hemd, kalt. Er sehnt sich nach Wärme, Sauberkeit. Nach einer heißen Dusche sieht alles gleich besser aus.
Nur von seinem Instinkt geleitet geht er in den vorderen Teil des Hauses und steigt die Treppe hinauf. Er erreicht den Gang zum Badezimmer. Es ist von düsterem Abendlicht erhellt und rot eingefärbt. Er streift die Kleider ab, sie kleben richtiggehend an ihm. Er blickt in den Spiegel und bemerkt schockiert, dass ihm roter Schmutz in breiten Streifen aus Nase, Ohren und übers Kinn läuft.
Heilige Mutter Gottes, hilf mir, das ist Blut.
Er wendet den Blick ab und stellt das Wasser sehr heiß ein, steigt in die Wanne und zieht den Duschvorhang zu. Das Wasser fühlt sich unglaublich gut an, hauptsächlich, weil es sich überhaupt anfühlt , er es spüren kann, ihm erlaubt ist, etwas zu empfinden. Seine Schmerzen werden stärker, und er ist müde bis auf die Knochen, während das Ich in ihm sich langsam wieder in seinem Körper zurechtzufinden versucht, seine Seele wie achtzig Kilo Sand in ihr angestammtes Gefäß zurückfließt. Er lässt sich von der Dusche durchwalken, das Wasser über seinen Körper strömen und auf Hals und Schädel prasseln, um den Kopfschmerz zu übertönen, der immer stärker wird, seit er aufgewacht ist, aber es hilft nichts. Es tut zu sehr weh. Er wäscht sich den getrockneten Schmutz aus Nase und Ohren und Augenwinkeln, und als das Wasser schließlich kalt wird, schmerzt sein Schädel so sehr, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten kann.
Er steigt aus der Wanne und wischt den beschlagenen Spiegel ab. Er erkennt jetzt wieder Farben, aber der Rotstich hält sich hartnäckig. Eines seiner Augen, das linke, ist rot, wo es weiß sein sollte, als wäre der Augapfel eine halb mit Blut gefüllte Blase. Sein Haar ist weiß, und in seinem Schädel pocht es, und das Badezimmer dreht sich um ihn. Als er sich zum Medizinschrank umwendet, fällt sein Blick auf die Bilder zweier Hasen. Sie sind offensichtlich verliebt. Es gibt einen Jungen-Hasen und einen Mädchen-Hasen. Sie gehören zusammen, und sie leben hier und werden geliebt. Anfangs sind beide schwarz-weiß, aber dann beginnt der untere zu pulsieren wie ein Herz, wie ein angeschwollenes Gehirn, bläht sich auf, wird rot und verblasst, wird rot und verblasst, und abermals spürt er den Stachel der Furcht.
Sie ist rot, weil sie verletzt ist.
Wo ist Stacey? Warum ist Stacey nicht bei mir? Sie sollte hier sein.
Sein Kopf schmerzt so sehr, dass die Hasen vor seinen Augen verschwimmen. Der Raum hört nicht auf, sich um ihn zu drehen. Er stolpert im Halbkreis herum und streckt die Arme aus, bekommt das Waschbecken zu fassen und übergibt sich. Er erbricht sich wieder und wieder, bis der Schmerz und der Druck hinter seinen Augen unerträglich werden. Stahlstangen bohren sich durch seine Stirnlappen und dringen zu den Augen heraus. Er hustet und spült sich den Mund aus. Sein Kopf wird gleich explodieren. Es scheint unmöglich, dass ein menschlicher Kopf so sehr weh tun und doch noch auf dem Körper sitzen kann. Er trinkt etwas Wasser und verliert das Gleichgewicht, hangelt sich an der Wand entlang. Er hält sich an der Tür des Medizinschränkchens fest, während er nach dem Aspirin tastet. Er findet die Flasche und schluckt hastig vier Tabletten ohne Wasser hinunter. Er muss sich hinlegen. Muss die Augen schließen.
Ich habe eine Kopfverletzung. Eine furchtbare Kopfverletzung. Etwas Grauenhaftes ist geschehen. Wo ist sie? Wo ist Stacey? Ich brauche meine Frau. Ich brauche Hilfe. Ich vermisse sie so sehr …
Er versucht, zu gehen, und der Badezimmerboden schwimmt ihm entgegen, und dann hebt er ab, während sein Kopf davonschwebt.
Die Zeit entgleitet.
Er erwacht auf der Couch, ohne zu wissen, wie er da hingekommen ist. Der Kopf tut ihm immer noch weh, aber nicht mehr so schlimm. Er hält es für einen Kater. Er muss vergangene Nacht zu viele Biere geschluckt haben, während er sich Sorgen um Stacey machte. Er hat sehr lange geschlafen. Es ist schon Nachmittag, beinahe Sonnenuntergang. Wo ist Stacey? Warum ist sie nicht heimgekommen? Er kann sich nicht mehr an das letzte Mal erinnern, als sie miteinander gesprochen haben. Das letzte Mal, dass er ihr in die Augen gesehen hat. Er erinnert sich nicht, warum, aber er ist sicher, dass sie wütend auf ihn ist. Dass sie schon seit langer Zeit zornig ist, aber er
Weitere Kostenlose Bücher