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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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zu dem Teppich und klappt ihn mit derselben Leichtigkeit zurück, wie man ein sauberes, frisches Laken von einer Matratze zieht. In dem Sekundenbruchteil, bevor die Angst vor dem Rätselhaften sich zum niederschmetternden Schrecken der Gewissheit verdichtet, denkt er: Hier hat es heute angefangen. Hier bin ich aufgewacht.
    Was ist hier wirklich geschehen?
    Ghost oder James?
    Hier ist nur Platz für einen von uns.
    Und jetzt helfen mir die Hasen, klar zu sehen. Staceys Hasen helfen mir, zu sehen.
    Der Motor heult auf, und alles kommt in Gang. Ghost dreht Stacey mit einem Arm herum und richtet mit der anderen Hand die Pistole auf den Wagen, während der Abstand sich verringert. Die Glock speit Feuer – POP - POP ! –, und Stacey rollt sich zu einem Ball zusammen, gleitet aus seiner Umarmung. Ein Spinnennetz von Rissen breitet sich über die Windschutzscheibe aus, während zwei Löcher darin auftauchen. Ghost brüllt vor Zorn, und der dritte Schuss macht POP , und Annette schreit, und der Aufprall ist alles vernichtend. Von Stacey bleibt nur ein dumpfer Schlag und James – James, nicht Ghost, ich – ich springe vor, mit dem Kopf voran, als wollte ich wie Superman über den Wagen hinweghechten, aber ich bin nicht Superman, mein Kopf prallt gegen die Oberkante der Windschutzscheibe, und ich werde abrupt abgebremst, bevor es mich auf der Motorhaube zusammenfaltet und ich herunterrutsche und unter dem Wagen verschwinde.
    Ich sehe.
    Als es wieder hell wird, ist die Kamera unbeweglich auf den Boden der Einfahrt gerichtet, auf den unkrautüberwucherten Schotter voller Ölflecken. Alles ist still. Langsame Fahrt. Ich liege auf dem Rücken – nicht Ghost, sondern James. Ich blute aus Ohren und Mund und Nase. Meine Brust hebt und senkt sich nicht …
    … nicht auf den ersten Blick. Aber während ich genauer hinsehe … da, beinahe unmerklich, ein winziges Dehnen der Rippen, doch es ist real. Es war auf dem Video, es ist mir nur nicht aufgefallen, und ihnen auch nicht …
    Ich atme noch. Meine Augen starren leblos in den Himmel, und eines davon ist rot unterlaufen, ein Tümpel von Blut im Augapfel. Eine große schwarze Ameise krabbelt über mein Kinn und meinen Hals.
    »Siehst du?«, fragt Annette. Ihre Stimme ist dumpf, schwer, sinnlich.
    Niemand antwortet ihr.
    »Wer ist jetzt ein Geist?«
    Ich sehe.
    Stacey, die am Straßenrand weint, weint wegen eines toten Hasen. Mich zu erreichen versucht, mein Gedächtnis benutzt, um es mir zu zeigen.
    Er ist nicht tot! Er ist nicht tot!
    Ich sehe.
    Der Mann auf dem Video, der auf dem Asphalt liegt. Annette sagt: »Wer ist jetzt ein Geist?«
    Aber ich bin kein Geist. Ich sollte es sein, aber ich bin es nicht.
    Ich habe mich mit dem Kopf voran einem dahinrasenden Wagen entgegengeworfen. Mein Schädel tut weh. Es war mein Kopf. Die ganze Zeit war es nicht nur in meinem Kopf, sondern wortwörtlich mein Kopf . Sie haben mich neben sie gelegt. Uns gemeinsam zu unserem Totenbett geschleift, und was immer zwischen uns vorgegangen ist, ging zwischen uns vor. Und Stunden später, ein ganzes Leben später, erwachte ich. Ich ging hinein, säuberte mich und verlor wieder das Bewusstsein. Stacey erwachte nicht, und sie kam auch nicht nach Hause, und ich entdeckte sie später in der Einfahrt, ohne mich daran zu erinnern, wegen des Schadens, den mein Gehirn erlitten hatte.
    Es gibt keine Geister oder Spukhäuser, hatte Detective Bergen gesagt.
    Nur Symptome.
    Ich verlor jedes Zeitgefühl. Ich verlegte meine Autoschlüssel. Die vergessenen Besuche im Lagerraum. Die Gegenstände, die sich nicht da befanden, wo sie sein sollten. Staceys Abbild in dem Fenster, in Mr Ennis’ Haus.
    Symptome.
    Die verlorene Fähigkeit, mich daran zu erinnern, wie Stacey ausgesehen hatte, jedes bezaubernde Detail ihres schönen Gesichts aus meinem Gedächtnis gelöscht. Die Wäsche, von der ich vergaß, dass ich sie zusammengefaltet hatte. Meine beschädigte Erinnerung.
    Symptome.
    Ich bin nicht Ghost. Es gab nie einen Geist in West Adams.
    Nur einen kaputten Mann. Den wiedergeborenen James Hastings.

40
    Die Fliegengittertür öffnete sich knarrend und fiel dann leise ins Schloss. Als ich aufsah, stand sie in der Haustür. Die Nachmittagssonne ließ Strähnen ihres weißen Haares aufleuchten und sprenkelte den weichen, ausgeblichenen Baumwollstoff des in Violett und Marineblau quer gestreiften Rugbyhemds, das sie James auf dem College stibitzt hatte. Als ich sie so sah, wurde mein Gedächtnis – sein

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