Ewig Böse
sie gefährlich?«
»Sie hat eine Menge durchgemacht. Meiner Ansicht nach ist sie aufrichtig bemüht, das Richtige zu tun, und das will schon etwas heißen. Aber wenn Sie beschließen, sie zu dulden – und das liegt wirklich ganz bei Ihnen –, würde ich Ihnen raten, Abstand zu halten. Ich sage nicht, dass sie gefährlich ist, aber Sie könnten sich einige Kopfschmerzen ersparen.«
Ich verstand nicht ganz, worauf er hinauswollte.
Bergen hob die Hände. »Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie beide bringen genügend traumatische Erlebnisse und schlechtes Karma mit, um einen Seelenklempner jahrzehntelang zu beschäftigen.«
»Sie meinen, ich soll mich nicht auf sie einlassen?«, spottete ich. »Keine Sorge.«
»Auf diese Art kommen Menschen sich nicht näher, James. Jedenfalls keine glücklichen Menschen. Und falls doch, werden sie dabei noch unglücklicher.«
Ich schob eine Austernschale wie einen Schlitten auf dem Teller mit Eis herum. »Ich weiß.«
»Gut. Haben Sie jemanden kennengelernt? Oder waren seit unserer letzten Unterhaltung wenigstens mal mit jemandem im Bett?«
»Nein.« Ich dachte an Lucy Arnold. »Aber ich habe ein paar Fühler ausgestreckt.«
Unter dem Tisch dudelte ein Klingelton los, den ich als die ersten Takte der Basslinie von Aerosmiths ›Sweet Emotion‹ erkannte. Bergen ließ sein muschelartiges Handy aufklappen und sagte: »Bergen.« Er stand auf und gab mir zu verstehen, dass seine ermittlerischen Fähigkeiten anderweitig dringender benötigt wurden. »Hayden soll die AA -Akten durchsehen und mich so bald wie möglich anrufen. Ich bin unterwegs.«
Die Muschel schloss ihre Schale. »Tut mir leid, muss mich beeilen.« Er warf einen Zwanziger auf den Tisch und setzte seine Michael-Mann-Sonnenbrille auf.
Ich erhob mich. Wir gaben uns die Hand. »Danke für Ihre Hilfe.«
»Rufen Sie mich an, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten mit ihr gibt«, sagte Bergen. »Aber ich glaube eher nicht, es sei denn, Sie legen es darauf an.«
»Okay.«
Er zögerte einen Moment. »James?«
»Ja?«
»Sie sind jung. Sie haben Ihre Zeit abgesessen. Sie halten Ihren Zellenschlüssel selbst in der Hand. Verstehen Sie mich?«
Ich wusste, was er meinte.
Ich dachte gründlich über die Situation nach und wartete eine ganze Woche, bevor ich sie besuchte.
9
Als ich auf Mr Ennis’ Veranda stand und sie mir grußlos die Tür öffnete, musste ich an jene anbetungswürdigen und doch leicht verbitterten Frauen aus den Sitcoms denken, die mit einem so liebenswerten Trottel verheiratet sind, dass man denkt: Wenn der bei ihr landen konnte, könnte man das selbst auch. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, hätte sie schlechter aussehen müssen. Aber vielleicht stand sie noch unter Schock.
»Ich wollte mich nur bedanken, dass Sie mit Detective Bergen kooperiert haben«, sagte ich. »Er ist ein guter Mann. Er hat das letzte Jahr auf mich aufgepasst.«
Sie nickte feierlich. Eine unbehagliche Stille breitete sich aus. Als es so aussah, als wollte sie nicht enden, trat sie zur Seite.
»Kommen Sie rein, setzen Sie sich.«
Ich hörte Bergens Warnung in meinem Kopf schrillen. Ich fragte mich, was aus ›Mini-Ennis‹, der Schildkröte, geworden war.
»Ich könnte mir vorstellen, dass Sie noch Fragen haben«, sagte sie und ging voraus zum Kühlschrank.
Wohnzimmer, Küche und Diele waren in sonnigen Blau- und Gelbtönen gestrichen. Sie hatte einen Satz Holzstühle und einen runden Esstisch hereingestellt, ein Bücherregal (noch leer) und ein paar andere geschmackvoll deplatzierte Gegenstände: ein Rollpult mit Fächern und einer grünen Lederschreibfläche, ein teures Fitnessgerät, einen kleinen Fernseher, dünn wie eine Oblate, der auf einem Weinschrank mit Türen aus feinmaschigem Drahtgeflecht stand. Es hörte sich an, als meinte sie es ernst.
»Allerdings«, sagte ich. »So viele, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.«
»Möchten Sie etwas trinken?«
»Ein Bier, wenn Sie eins haben.« Ich zog mir einen Stuhl unter dem kleinen Frühstückstisch in der Küche heraus, ziemlich genau an der Stelle, wo der Blumenstrauß geschwebt hatte.
Sie kam mit zwei Flaschen Budweiser zurück. Ich griff widerstrebend nach einer. Der König der Biere verursacht mir Kopfschmerzen. Sie setzte sich mir gegenüber und wartete, dass ich anfing.
»Ich schätze, wir sind jetzt Nachbarn«, sagte ich und prostete ihr zu. »Cheers.«
»Ist das in Ordnung für Sie?«
»Fürs Erste ja. Aber ich behalte Sie im
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