Ewig Böse
in dem alles genau drinsteht? Was verschweigen Sie mir noch alles?«
»Was? Nichts.« Mein Vorwurf schien sie zu verletzen. »So war das nicht. Ich – ich hatte Angst. Ich stand unter Schock. Ich befürchtete, sie würden mir mein Zuhause wegnehmen. Ich hatte nichts mehr. Und später fragte ich mich, ob Sie nach einem Jahr überhaupt noch Bescheid wissen wollten. Ich zögerte ein paar Tage, und dann bekam ich Angst, weil ich den Brief zurückgehalten hatte, dass es dadurch noch schlimmer werden würde, und meine Gedanken drehten sich im Kreis und – ich war wie gelähmt. Ich weiß, dass es falsch war, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte, außer, zuerst zu Ihnen zu kommen.«
»Sie beobachten mich seit einem Monat?«
»Nein. Nur eine Woche oder so. Vielleicht zwei.«
»Und da haben Sie einfach beschlossen, das Haus nebenan zu mieten? Mal ein bisschen in die Nachbarschaft reinschmecken, bevor Sie mit dieser Neuigkeit rausrücken. Lady, sind Sie total verrückt? Wer tut denn so etwas?«
»Ich weiß, wie es klingt«, sagte sie. Ihr Gesicht war von den Tränen verschmiert. »Ich war verwirrt. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie Ihr Leben jetzt aussieht, und ich hatte Angst, alles noch schlimmer zu machen. Mein Mietvertrag läuft nur von Monat zu Monat. Ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht helfen, ich könnte etwas tun, um Ihr Leben wieder schöner zu machen, und dann wurde mir klar, dass ich mich nicht rational verhielt und da – hier bin ich, okay? Ich konnte nicht anders.«
Es hielt mich nicht mehr auf dem Sofa. »Sie blöde Tussi. Sie wiederholen sich. Glauben Sie, so funktioniert das?«
»Es war ein Unfall! Ich habe doch niemanden mehr!«
Ich beobachtete sie, wartete ab, ob sie zu hyperventilieren anfing. Sie schaukelte auf meiner Couch vor und zurück und jammerte wie jemand in der Notaufnahme. Ich ging in die Küche. Ich starrte aus dem Fenster über der Spüle. Nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder abgeregt. Ich kehrte zurück und funkelte sie an.
»Und was soll ich jetzt mit diesem Wissen anfangen?«
»Was ich gesagt habe«, hickste sie. »Alles, was Sie für richtig halten. Ich tue alles, was Sie von mir wollen. Sie haben das Recht dazu.«
»Was soll das heißen? Ist das Ihre Vorstellung von Stammesriten? Ihr Stamm ist verantwortlich für meinen Verlust, und zur Wiedergutmachung kriege ich Sie? Glauben Sie, dass es so funktioniert? Bockmist. Sie sind einsam. Ihnen ist nichts geblieben. Ihr Leben ist am Arsch, und jetzt möchten Sie, dass es wieder besser wird. Sie wollen Vergebung für Ihren Mann, und die kriegen Sie von mir verdammt noch mal nicht.«
Ihr Blick hing unverwandt an mir. »Ich tue alles , was Sie wollen.«
Ich musterte sie einen Augenblick lang. Ich konnte mir eine Menge vorstellen. Ziemlich üble Sachen.
»Na schön«, sagte ich. »Ich will, dass Sie gehen.«
Sie rührte sich nicht.
»Verlassen Sie mein Haus. Auf der Stelle.«
Sie stand auf, und es war ihr anzusehen, dass es sie drängte, es noch einmal zu versuchen.
Doch dann merkte sie, dass ich ihr weh tun würde, wenn sie noch eine Sekunde länger blieb.
»Ich bin nebenan«, sagte sie. »Was immer Sie …«
Sie brach ab und ging hinaus, überließ es mir, über ihr Schicksal zu entscheiden.
8
»Die Frau hat alle Fragen zufriedenstellend beantwortet«, sagte mein alter Freund Detective Bergen. Er trug das Haar jetzt kürzer. Die blonden Locken waren verschwunden bis auf eine Mini-Schmalzlocke, die ihm in die Stirn hing. »Ich habe mir den Bericht angesehen. Ich habe den Abschiedsbrief des Mannes mit den Unterschriften auf seinen Schecks verglichen. Ich habe ihre Aussage gegenüber den Beamten überprüft, die als Erste am Schauplatz waren. Sie ist mit einem Lügendetektortest einverstanden. Ich sagte ihr, dass das ganz bei Ihnen liegt. Wenn Sie wollen, kann ich das arrangieren. Aber, ehrlich gesagt, es ist selten, dass jemand nach so langer Zeit freiwillig zu uns kommt, und es bestand wirklich kaum noch die Aussicht, den Fahrer zu finden, nachdem wir ein ganzes Jahr lang keine einzige Spur hatten. Die Dame ist klug genug zu wissen, dass wir alles nachprüfen würden, und das habe ich getan. Ihr einziges Verbrechen besteht darin, dass sie Beweismittel unterdrückt hat, und das für, wie lange, drei Wochen? Nicht einmal einen Monat. Sicher, wir könnten die Sache weiter verfolgen, aber, angesichts ihres Gemütszustands … Welcher Staatsanwalt würde sich da groß engagieren? Viel mehr kann ich Ihnen
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